Abseitsfalle. Kadir Bülbüls zweiter Fall
imstande eine
Antwort zu geben, solange die Rothaarige Schmalfuß ignorierte, denn alle
blickten sie an und schwiegen.
Schmalfuß
räusperte sich und lächelte gewinnend in die Runde.
Eine
jüngere Frau mit kurzem Blondschopf und einer lila Strähne, die sie sich quer
über die Stirn gelegt und hinter dem Ohr festgeklemmt hatte, stieß den neben
ihr sitzenden Koloss mit dem Ellenbogen an.
»Nun
nimm schon deine Tasche da weg, Maximus, der Herr möchte sich setzen!«
»Oh,
Maximus? Welch pittoresker Vorname, ganz der römischen Glanzzeit gewidmet will
mir scheinen?«
Schmalfuß
stellte seine Tasse sachte ab, zog die Hosenbeine an den Knien ein wenig nach
oben und setzte sich auf die Kante des Stuhls.
»Ja,
mein Vater war Lateinlehrer, da bleibt es nicht aus, dass…« Maximus Grambrod
wurde von einem Hustenanfall geschüttelt, der seinen mächtigen Körper erbeben
ließ. Die Sporttasche, die er auf seinem Schoß platziert hatte, prallte gegen
den Tisch, so dass der Kaffee seiner Gefährtin überschwappte.
»Himmel,
Max, so stell doch die dumme Tasche endlich irgendwohin, wo sie niemanden
stört! Was ist so schwer daran?«
Ungehalten
schnappte sich Frau Grambrod die Serviette ihres Mannes und wischte ihre
Untertasse sauber. Dann warf sie die getränkte Stoffserviette zurück auf seinen
Teller.
»Ja,
und mein Name ist Julia«, klärte sie Herbert Schmalfuß auf, der verstohlen zusah,
wie Maximus‘ Finger nach einem zögerlichen Blick auf seine Frau in Richtung
Serviette krochen. »Als wir uns verlobten, waren wir die Lachnummer in unserer
Firma – wir haben früher in dem gleichen Saftladen gearbeitet, ich bin da
glücklicherweise raus – und seitdem ebbt das Lachen nicht ab, wo immer wir
auftauchen. Julia und Maximus – liebe Güte, wie aus einem drittklassigen
Sandalenfilm, nicht wahr? Man schenkte uns zur Hochzeit zwei Lorbeerkränze aus
Plastik und eine Ben-Hur-DVD. Vielleicht lacht man inzwischen aber auch nicht
mehr nur wegen unserer Namen, ihr versteht was ich meine? Körperformtechnisch
starteten wir einst in einer ähnlichen Liga…«
Julia
strich sich über die schmalen durchtrainierten Arme und tat so, als ob sie einen
Anfall von unkontrolliertem Zittern verhindern müsste, während sie die
Tischnachbarn darüber nachsinnen ließ, welche Umstände dazu geführt hatten,
dass aus Maximus Grambrod ein Sumo-Ringer geworden war.
Blitzschnell
wie die Zunge eines Laubfroschs, der eine Fliege vom Blatt wischt, zuckten die
Finger von Maximus unter die triefende Serviette und schnappten sich sein angebissenes
Brötchen. Er ruckelte seinen breiten Rücken leicht zur Seite, um seiner Frau möglichst
unauffällig die unmittelbare Sicht zu nehmen und wischte den durchweichten Rand
ab, bevor er herzhaft zubiss.
Da
Herbert Schmalfuß darauf bestand, Menschen, die nicht zu seiner unmittelbaren
Verwandtschaft gehörten, stets mit dem Nachnamen anzureden, war er in seinen
Urlaubsdomizilen früher immer wieder angeeckt oder in Verlegenheit geraten.
Alles duzte sich, alles gab nur den Vornamen preis. So hatte er die Notlösung
für sich entdeckt, dem jeweiligen Vornamen ein Herr oder Frau voranzusetzen,
was ihm gerade noch erträglich schien. Auch Seda Güven, die wie eine Tochter
für ihn war, nannte er nur Fräulein Seda und hätte sich ohne Androhung von
Foltergewalt nie etwas anderes herausgenommen.
Nach
außen gab sich Schmalfuß den Anschein als hörte er Frau Julia, die weiter über
ihre Hochzeitszeremonie schwadronierte, aufmerksam zu, doch sein Augenmerk war
auf Maximus Grambrod gerichtet, der, zufrieden, dass seine Frau von ihm
abgelenkt war, wie ein großer, ausgeleierter Sitzsack in sich zusammengesunken
war und selbstvergessen sein mit Rührei betürmtes Brötchen mümmelte. Schmalfuß
konnte ihn sich gut in einem weitläufigen, von Säulen umstandenen Patio
vorstellen, gewandet in eine weiße Toga, die noch die Essens- und Weinspuren
der gestrigen Orgie am Hofe Kaiser Neros trug, gleichwohl seine Lieblingstoga,
die er nicht abzulegen gedachte, da sie seinem nach allen Seiten ausufernden
Bauch nicht einzwängte.
»Und
als dieser Husten von Maximus gar nicht mehr aufhören wollte, da sagte ich zu
ihm, Max, jetzt ist es genug, jetzt fahren wir in Urlaub, und wenn dein Chef
hundertmal Urlaubssperre verkündet. Reizhusten, sag ich euch, das ist es, was
er hat, Reizhusten von all dem Stress in seinem Beruf. Nachher kommt noch ein
Burn-Out obendrauf! Das kriegen wir hier in den Griff, nicht
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