Abseitsfalle. Kadir Bülbüls zweiter Fall
Rolle.
Glücklicherweise«, fügte Madlen lächelnd hinzu.
»Ich
kenne sicherlich nicht alle Details, aber die Anschläge galten doch sehr wohl
Ihrem Gatten, oder? Der Teddy mit seinem Namenszug auf der Kappe, die
Schaufensterpuppe? Und nun zu guter Letzt dieser stilisierte Indiopfeil. Das war
eindeutig.«
»Darf
ich?«
Madlen
beugte sich vor und griff nach Kadirs Zigaretten. Bevor er antworten konnte,
hatte sie sich eine angezündet und sog den Rauch tief ein. Kadir betrachtete
sie interessiert. Selbst sein Vater und Yusuf amca mussten beim ersten
Zug an Kadirs filterlosen Zigaretten husten, bis sie sich an den beißenden
Geschmack gewöhnt hatten. Madlen paffte gedankenversunken vor sich hin.
»Das
tut gut, meine Herren! Ich habe vor zwei Jahren aufgehört, aber ich stiebize
immer mal wieder eine. Mein Producer würde mich töten, wenn er mich jetzt sähe,
denn mein Teint ist sehr anfällig. Manchmal bin ich nur mit einer Tonne Make-up
für die Kamera erträglich.«
»Kaum
zu glauben.«
»Oh,
das war kein fishing for compliments ! Ich weiß, wie gut ich aussehe«,
sagte Madlen ungerührt und ohne jede Spur von Eitelkeit.
»Die
Kamera liebt mein Gesicht aber nicht, es ist vertrackt. Wie auch immer. Ich bin
fest überzeugt, dass da draußen jemand herumläuft und nicht nur mein Gesicht
nicht leiden kann, sondern meine gesamte Person verabscheut. Der Teddy? Ja, das
sollte Rocco sein, schon richtig! Aber die Schaufensterpuppe mit dem nackten
Torso und dem Strick um den Hals? Das war ich. Und den explodierenden
Blumenstrauß hätte ich und nicht die Putzfrau in Empfang genommen, wenn ich
nicht länger beim Friseur gebraucht hätte. Und es war mein Auto, das
über und über mit Blut beschmiert war! Menschenblut, sie haben es getestet,
echtes Menschenblut!«
Kadir
erkannte zum ersten Mal eine nicht einstudierte menschliche Regung bei Madlen.
Erregt drückte sie ihre Zigarette aus und nahm sich gleich eine neue. Sie hat
Angst, dachte Kadir, sie hat wirklich höllische Angst.
Madlen
rauchte einen Moment schweigend und zog mit den Fingern ihrer freien Hand die
Maschen ihrer Strickweste auseinander.
»Gibt
es noch weitere Hinweise, dass Sie das eigentliche Opfer sind? Ermittelt die
deutsche Polizei auch in dieser Richtung?«
»Nun,
ermitteln tun sie schon, so sagen sie zumindest. Aber sie glauben nicht recht
daran, ich habe es dem Kommissar angemerkt. Er wirkte so, als ob er fände,
dass, wenn es denn so wäre, ich es verdient hätte. So genau hat er es nicht
gesagt, aber er war durch die Sendung, die ich mache, sehr voreingenommen. Es
passiert sehr oft, dass man Leuten erklären muss, warum man tut was man tut.
Alle finden es moralisch verwerflich, wie unsere Kandidaten durch den Kakao
oder meinetwegen auch durch den Dreck gezogen werden, aber meine
Einschaltquoten sagen mir, dass die Moralapostel ebenso wie der Rest der Nation
Dienstagabend vor der Glotze sitzen und sich an Beauty and the Beast –Reloaded erfreuen. Ich rechtfertige mich vor niemandem. Und wenn wir nach L.A.
gehen, ist ohnehin Schluss.«
»Sie
sind also vielen Anfeindungen ausgesetzt?«
»Aber
natürlich! Nicht nur von der bigotten Bildungsbürgerpresse, sondern auch von
Zuschauern und sehr oft auch von ehemaligen Kandidaten. Ich gebe zu, dass die
Situationen, in denen sich die Kandidaten so manches Mal unversehens
wiederfinden, oft ausarten, und dass die Leute schnell das Bewusstsein von ihrer
Außenwirkung und die Kontrolle über ihre Reaktionen verlieren. Davon lebt die
Show. Der Sender begleitet aber jeden Kandidaten, der es will oder von dem wir
annehmen, dass er es braucht um bis zum Ende durchzuhalten, mit psychologischer
Hilfe bis zum Schluss der jeweiligen Staffel und oft noch darüber hinaus. Aber,
nun ja, wir haben auch durchaus schon erlebt, dass das Leben der Leute danach komplett
aus den Fugen geraten ist. Und nicht nur das der Beasts. Oft haben die
Schönen noch mehr durchzumachen, weil sie von der Außenwelt in vielen Fällen als
Mittäter wahrgenommen und abgestempelt werden. Und ich als Zeremonienmeisterin
bin sowieso immer die Böse. Ich habe alles mitgemacht: Ich bin auf offener
Straße beschimpft und angespuckt worden, habe Hassbriefe und obszöne Anrufe erhalten
und und und. Nur wenn ich mit Rocco zusammen in der Öffentlichkeit auftrete,
wandelt sich mein Image schlagartig, und ich bin die schöne, unschuldige und
treue Maid an der Seite des Bütter Jungen von nebenan.«
Madlen
seufzte und sah Kadir eindringlich
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