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Abseitsfalle. Kadir Bülbüls zweiter Fall

Abseitsfalle. Kadir Bülbüls zweiter Fall

Titel: Abseitsfalle. Kadir Bülbüls zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Fu , Asmin Deniz
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zärtlich
wiegte und liebkoste, während Papa Blau ein Gläschen Erbsen- oder Möhrenbrei mit
starker Hand öffnete und dabei strahlte, als habe er einen Fingerhakelwettbewerb
oder den Nobelpreis gewonnen. Später wurden die Fernsehspots progressiver, auch
Papa durfte das nunmehr echte Kind aus Fleisch und Blut wiegen oder wickeln,
während Mama lässig mit der Zeitung im Sessel saß und sich im Hintergrund das
Gläschen im Wasserkocher von selbst erwärmte. Aus Mama und Papa wurde in den neunziger
Jahren Mommy und Daddy, weil der junge Dr. Mahler, der mittlerweile das Ruder
übernommen hatte, auch einen Meilenstein in der Firmengeschichte setzen und
etwas Dauerhaftes für seinen eigenen Sohn hinterlassen wollte. Als die Firma
sich entschloss, den SV Bütte-Erkenroytz zu sponsern, kam man mit dem
Vereinsvorstand überein, dass künftig einer der Profispieler den Daddy Blue
darstellen sollte. Rocco Erdmann hatte kein Interesse und winkte lachend ab.
Nachdem man es ein halbes Jahr mit Boris Gubanov probiert hatte, der zwar gut
aussah aber auch als dauerglücklicher Daddy Blue kein Lächeln, das nicht wie
die Schneide eines Schwertes aufblitzte, vor dem sich alle fürchteten, zustande
brachte, war man auf Patrick Schleinitz verfallen. Vor der Kamera war er zwar etwas
hölzern und wirkte biederer, als man sich bei Dr. Mahlers Babynahrung den
modernen Daddy Blue vorgestellt hatte, ein Daddy, der nunmehr, trotz seiner
immensen Verantwortungsbereitschaft und dem Willen, sich jederzeit für Weib und
Kind in Streifen schneiden zu lassen, auch etwas von einem Springinsfeld à la
derzeit angesagtem, bärtigem Waldschrat haben sollte. Dennoch steigerte
Patricks Konterfei auf den Gläschen trotz gegenteiliger Prognosen
überraschenderweise den Umsatz.
    »Tja«,
machte Patrick und die Trostlosigkeit in seiner Stimme schnitt Poppo ins Herz.
Er biss sich auf die Knöchel.
    »Aber
wieso?«
    »Die
Marketingchefin, diese Pferdeschwanztusnelda mit festgewachsener Pradatasche am
Arm, hat sich nun doch durchgesetzt und Dr. Mahler eingeredet, dass ich auf
Dauer Gift fürs Geschäft bin. Wohin man blickt: Bärtige Typen mit Strickmützen,
groß wie Mülleimerbeutel, Typen, die zwar ziemlich töricht aussehen, und denen
ich persönlich kein Baby in den Arm legen würde, aber bitte. Die jungen Frauen
wollen das wohl so, auch wenn ich nicht ahne, woher die Tusnelda diese Weisheit
hat. Meine Frau oder meine Schwester würden davonlaufen, wenn so ein Typ um die
Ecke käme.«
    »So
ein Typ wie Hakan also?«
    Poppo
stellte sich Hakan mit angeklebtem oder echtem Bart vor, auf dem Gesicht ein
Ausdruck der Gewissheit, dass die Welt ihm Aufmerksamkeit und Verehrung
schuldete, auch wenn er sich entschlösse, den ganzen Tag auf der Couch zu
liegen und sein Leben zu verschnarchen. Die dunkelblonden Haare leicht
verwuschelt, ausgeleiertes Karohemd und verrutschte Cordhose, augebeult genug,
dass er selbst Windeln tragen konnte, ohne dass man es merkte, in der einen
Hand die Axt zum Holzhacken, in der anderen lässig das Baby auf die Hüfte
geklemmt. Kein Zweifel. Das Bild war stimmig, die Tusnelda hatte Recht. Solche
Typen bevölkerten momentan die Werbelandschaft, folglich mussten sie dem
Zeitgeist entsprechen.
    »Hakan
kann ich mir im Leben nicht als Daddy Blue mit Mommy Pink vorstellen!«,
erklärte Poppo stattdessen nachdrücklich und schüttelte den Kopf.
    »Ist
aber so. Und ist leider nicht zu ändern. Ich sage Ihnen, wie ich die Dinge
jetzt sehe, Trainer. Ich bin noch zwei oder maximal drei Jahre dabei, dann war’s
das mit meiner Karriere im Profisport. Nein, bitte, Sie brauchen nicht
abwinken, ich hab mir zeitlebens nichts vorgemacht, und ich fange jetzt nicht
damit an. Für mich ist der Aufstieg damals ein bisschen zu spät gekommen, das
dicke Geld haben andere gemacht und machen es noch. Der Bundestrainer hat nie
Notiz von mir genommen, obwohl es mal eine Zeit gab, in der ich das hoffte. Und
dann die ganzen Verletzungen am Knie, Bänder gedehnt wie ausgeleierte Gummis, das
gebrochene Schlüsselbein vor einem Jahr… besser wird es nicht. Bitte, verstehen
Sie mich nicht falsch, ich weiß, dass ich auf verdammt hohem Niveau jammere.
Aber was kommt dann in drei Jahren für mich? Trainerlizenz? Kaum, dafür bin ich
nicht geeignet, ich weiß nicht einmal genau, warum Sie darauf bestehen, dass
ich die Kapitänsbinde behalten soll. Vielleicht ein Restaurant auf Malle
aufmachen in der Hoffnung, dass die Fans sich noch in zehn Jahren an

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