Abseitsfalle. Kadir Bülbüls zweiter Fall
viel des Guten, aber ich wusste mir nicht anders zu
helfen. Und so habe ich eben ein bisschen übertrieben, ein wenig gelogen.
Anders hätte ich diesen Klotz nicht in Bewegung setzen können, es war so schon
schwierig genug.«
»Weil
Sie Angst hatten, dass Ihrem Mann bei dem Spiel etwas passieren würde?«
»Ja!
Und nochmals ja! Dieser Teil der Geschichte ist nämlich wahr und nicht erfunden!«
Madlen
warf ihre halb aufgerauchte Zigarette auf den Boden und drückte sie heftig mit
dem Fuß aus. Dann kreuzte sie die Arme und blickte über das Tal.
»Ich
habe Ihnen die Wahrheit gesagt, Kadir, damals, als ich bei Ihnen im Büro war.
Ich bin überzeugt, dass der Stalker hinter mir her ist, und dass er mich
fertig machen will, indem er Rocco etwas antut. Nach dieser Pfeilattacke
glaubte ich, dass jetzt die nächste Runde eingeläutet ist. Jetzt wird es
schlimm, richtig schlimm, dachte ich.«
»Nun,
es ist nicht Rocco, für den es schlimm geworden ist«, warf Kadir ein.
Madlen
umschlang mit beiden Armen ihren Oberkörper und blickte Kadir fest an.
»Das
weiß ich sehr wohl. Aber Hakan war noch nicht tot, als ich Roccos Sachen
entfernen ließ, damit er nicht spielt. Außerdem glaube ich nicht, dass unser
Stalker etwas damit zu tun hat. Der wird auch weiter sein Unwesen treiben.
Vielleicht war es dumm von mir, dass ich mich von kindischen Vorahnungen habe
leiten lassen, aber ich habe mich so in die Vorstellung hineingesteigert, dass
bei dem Spiel etwas passiert – ich habe sogar davon geträumt, wie ein Zuschauer
Rocco aufs Korn nimmt, und ich stehe auf der anderen Seite der Tribüne, winke
und schreie, doch keiner hört mich… es war…«
Da
ist sie wieder, dachte Kadir, die echte, unverstellte Madlen. Die, die von
einer bodenlosen Angst getrieben wird.
»Glauben
Sie mir, Kadir, ich wollte Addi nicht in Schwierigkeiten bringen. Rocco wird
außer sich sein, wenn er erfährt, was ich getan habe, und ich schätze, dass der
liebe Trainer keine Sekunde hat vergehen lassen, um es ihm brühwarm
mitzuteilen. Wir stehen nicht gerade auf freundschaftlichem Fuß, der Herr
Popuczinski und ich. Naja, das spielt nun auch keine Rolle mehr. Ich gehe nicht
zurück nach Bütte, und ich denke, wenn Rocco von mir befreit ist, ist er auch
den Stalker los. Ich muss sehen, wie ich alleine klar komme.«
Madlen
verbarg ihr Gesicht in den Händen und wandte sich ab.
Kadir
sah zum Amphitheater, sah Männer und Frauen aus längst vergangener Zeit in
langen Gewändern, schwatzend und lachend, sich zum Aufbruch bereit machend. Was
hatten sie für ein Stück gesehen, worüber sprachen sie?
Nachdenklich
betrachtete Kadir Madlens Rücken, dessen rhythmisches Zucken ein Schluchzen
andeuten sollte. Wie kann jemand, dachte Kadir, in der einen Sekunde so
wahrhaftig sein und mir in der nächsten Sekunde eine perfekte Bühnenshow
abliefern? Madlen, das Opfer, das sich großmütig von ihrem Mann trennt, um ihn
nicht weiter dräuenden Gefahren auszusetzen? Sie musste, wenn es stimmte,
andere Motive haben. Vielleicht sollte er seine Mutter fragen, die wusste es
bestimmt, bevor es noch von den betreffenden Personen gedacht, ausgesprochen
und in der Regenbogenpresse breitgetreten wurde. Dieser Gedanke brachte ihn zurück
zu Sedas Beobachtung.
»Was
haben Sie am Abend des Gästedinners mit Eva Ratzki besprochen?«
Madlen
drehte sich um und blickte Kadir ausdruckslos an.
»Mit wem ? Mit dieser schrecklichen Klatschtante?« Madlen dachte nach. »Die
war doch gar nicht bei dem Dinner dabei.«
»Nein,
das nicht. Sie haben sie in der Lobby getroffen, erinnern Sie sich nicht? Kurz
bevor Patrick Schleinitz mit ihr gesprochen hat.«
»Ach
ja, stimmt, das hatte ich völlig vergessen!« Madlen biss sich auf die
Unterlippe. »Gar nichts haben wir besprochen. Sie hat mir in der üblichen Art
von Klatschreportern allerhand unmögliche Fragen gestellt. Unter anderem hat
sie auch das erwähnt, was sie später geschrieben hat. Dass sie Informationen
hätte, dass Rocco und ich koksen und kiffen und was nicht alles zu uns nehmen
würden. Ich habe sie gefragt, ob sie sich darüber im Klaren wäre, dass sie für
einen Sportsender und nicht für ein übles Paparazzi-Magazin arbeitet, aber da
hat sie nur gelacht und gesagt, dass das genau ihre Zukunftsvision wäre. Und
die Skandale um und bei den Büttern wären ihr Sprungbrett. Dumme, kleine Gans!
Solche wie die habe ich schon zu Dutzenden zermalmt!«
Madlen
stockte, als ihr dämmerte, was sie damit eben zum Ausdruck
Weitere Kostenlose Bücher