Abseitsfalle. Kadir Bülbüls zweiter Fall
großen Zeh, wenn ich das richtig…
«
»Seda!«
Seda
schrak zusammen und hätte fast eine Glasschale mit Augenpads fallen lassen.
Schmalfuß
hatte das „Fräulein“ vor Seda vergessen!
Er
musste etwas entdeckt haben, was ihn aus der Fassung brachte. Hoffentlich nicht
wieder ein Domina-Kostüm, dachte Seda und rannte ins Zimmer. Ihre Augen
weiteten sich, und ein Kribbeln rann durch ihren Körper.
Schmalfuß
stand mit ausgebreiteten Armen auf dem Stuhl. Über seinem Arm hingen blau-rosa
Wäschestücke und Seda erkannte das Bütter Trikot mit Roccos Namen und Nummer.
In der Hand hielt Schmalfuß ein paar nagelneue Fußballerschuhe. Die anderen
beiden, von Rocco seit dem Freundschaftsspiel vermissten Paare, waren Schmalfuß
entglitten und lagen wie anklagend auf Madlens Himmelbett.
» Yemegin
tadi güzel degil «, stammelte Schmalfuß.
Wie
bitte? dachte Seda verwirrt. Das Essen schmeckt ihm nicht? Dann sah sie erneut
auf das Trikot, das traurig wie eine lasche Fahne über Schmalfuß‘ Unterarm
hing, und nickte. Sie verstand.
»Mir auch nicht, Herr Kommissar«,
sagte Seda, »auch mir schmeckt das hier ganz und gar nicht!«
»Da
hat sie ihren eigenen Mann aber übel gefoult«, meinte Kadir und drückte
energisch auf die Hupe seines alten Ford. Diese dämliche Eselskarre vor ihm
hatte ihm gerade noch gefehlt! Kadir lehnte sich aus dem Seitenfenster und
machte einen Schlenker nach links. Der Bus aus Gümüsdere kam ihm entgegen,
heftig schwankend rollte er am Rande der Serpentinenstraße näher, den felsigen,
schroff abfallenden Abgrund nur wenige Zentimeter neben sich. Kadir lenkte
zurück auf seine Spur und drosselte widerwillig das Tempo.
»Sie
hätten aber dennoch nicht in Madlens Zimmer einbrechen dürfen, Seda!«
»Ich
habe nicht eingebrochen«, kam es empört aus den Lautsprechern der Freisprechanlage,
die Onkel Yusuf ihm in wochenlanger, enervierender Kleinarbeit eingebaut hatte,
mit gewichtiger Miene, als würde er eine komplizierte Herztransplantation
vornehmen.
»Wir
hatten einen Schlüssel!«
»Ich
bleibe bei Einbruch.«
»Ich
hatte einen Polizisten dabei. Stich!«
»Ex-Polizist.
Einbruch. Punkt. Außerdem hat Poppo mir mittlerweile erzählt, dass Addi Haxler
völlig aufgelöst gestanden hat, dass Madlen ihn überredete, Roccos Sachen
verschwinden zu lassen. Angeblich war kein Geld im Spiel. Madlen machte dem
Zeugwart nur glaubhaft weis, dass sie erfahren habe, dass man ihren Mann
während des Spiels übel zurichten würde. Man hätte die türkischen Amateure
bestochen ihn krankenhausreif zu foulen.«
»Was
für ein Unsinn! Was für eine gemeine Frau!«
»Nun,
das glaube ich auch, aber Haxler hat ihr Wort für bare Münze genommen,
schließlich kannte er die Geschichte mit dem Stalker. Er war sicher, dass es
jemand ernsthaft auf Rocco abgesehen hatte und wollte sein Teil dazu beitragen,
dass nichts geschah. Das schlechte Gewissen hat ihn seitdem fast umgebracht, er
ist, wie Poppo sagt, die treueste Seele im ganzen Verein. Und nachdem Hakan
umgebracht wurde, geriet Haxlers Welt vollends aus den Fugen.«
»Aber
trotzdem«, hörte Kadir Sedas Stimme, als er zum nächsten waghalsigen
Überholmanöver ansetzte. »Schmalfüßchen und ich waren die Ersten, die Ihnen von
Madlens Verwicklung erzählten. Wir haben die Sachen gefunden, ohne dass
uns jemand davon berichten musste.«
»Und
das bleibt auch schön unter uns! Offiziell findet die Polizei just in diesem
Moment Roccos Sachen bei Madlen.«
Kadir
sah auf die Uhr.
»Das
gibt mir einen Vorsprung von eineinhalb Stunden vor Dalga.«
»Und
wem haben Sie diesen Vorsprung zu verdanken?«
Kadir
lächelte und winkte dem Bauern, der seinen Eselkarren endlich in eine Einfahrt
lenkte, freundlich zu. Nach zwei weiteren Kurven kam er zu einer Bergkuppe und
drosselte das Tempo. Unter ihm, von Platanen und Zedern umrahmt, lag das
Amphitheater von Gümüsdere.
»Wissen
Sie, Seda«, begann Kadir und ließ seinen Wagen neben einem Felsvorsprung
ausrollen. Der Platz um das Theater wimmelte von Arbeitern, die Kabelrollen vor
sich her wuchteten und Scheinwerfer im Arm trugen. Laster standen überall
geparkt, Befehle drangen durch die warme Luft und verwandelten den stillen Ort
in eine Szenerie, die Kadir am liebsten mit der Hand weggewischt hätte.
»Wissen
Sie, ich glaube, dass Madlen, als sie damals bei mir im Büro war und mich zum Schutz
ihres Mannes anheuern wollte, wirkliche Angst hatte. Es war nicht gespielt,
dass sie fürchtete das eigentliche Opfer
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