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Absender unbekannt

Absender unbekannt

Titel: Absender unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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er auf seine Schuhe herunter, scharrte leicht damit und zog sich am rechten Ohrläppchen. Ich war mir sicher, dass es ein nervöser Tick von ihm war.
Er räusperte sich. „Sergeant Amronklin meinte, die Jungs vom FBI würden Unterstützung vorbeischicken, sobald sie genug Leute von der Südküste abgezogen haben. Er meinte, spätestens um zwei oder drei Uhr morgens. Mir wurde gesagt, die Vorder- und Hintertür seien durch Alarmanlagen gesichert, und der hintere Teil des Hauses sei sicher.“
Angie nickte.
„Ich würde trotzdem gerne einmal nachsehen.“
„Tun Sie sich keinen Zwang an!“
Er tippte sich wieder an die Mütze und ging ums Haus herum nach hinten, während wir auf der Veranda standen und seinen Fußstapfen lauschten, die auf dem gefrorenen Rasen knirschten. „Wo hat Devin denn diesen Jungen her?“ fragte Angie. „Aus einem Prospekt für Musterschüler?“
„Ist wahrscheinlich ein Neffe von ihm“, erwiderte ich.
„Von Devin?“ Sie schüttelte den Kopf. „Ganz bestimmt nicht.“ „Glaub mir! Devin hat acht Schwestern, davon sind die Hälfte Nonnen. Im Kloster. Die andere Hälfte ist mit Männern verheiratet, die glauben, einen sicheren Platz zur Rechten des allmächtigen Vaters zu haben.“
„Und wie konnte Devin so einer Genmasse entspringen?“ „Das ist ein Mirakel, muss ich zugeben.“
„Der Kleine ist so unschuldig und ehrlich“, meinte sie.
„Er ist zu jung für dich.“
„Jeder Junge braucht eine Frau, die ihn verdirbt“, gab sie zurück. „Und dafür bist du genau die Richtige?“
„Darauf kannst du deinen Arsch wetten. Hast du seine Oberschenkel in der engen Hose gesehen?“
Ich seufzte.
Der Strahl der Taschenlampe kündigte die knirschenden Schritte von Timothy Dünn an, der kurz darauf um die Ecke bog. „Alles klar!“ rief er zu uns rüber, wir waren auf die Verandastufen heruntergekommen.
„Vielen Dank, Officer!“
Er sah Angie ins Gesicht, seine Pupillen weiteten sich, dann wich er ihrem Blick aus.
„Tim“, verbesserte er, „nennen Sie mich doch Tim, Miss.“ „Dann nenn du mich Angie. Das ist Patrick.“
Er nickte und warf mir einen schuldbewussten Blick zu.
„Also“, sagte er zögernd.
„Also“, sagte auch Angie.
„Also – ich bin dann im Wagen. Wenn ich ins Haus kommen muss, rufe ich vorher an. Sergeant Amronklin hat mir die Nummer gegeben.“
„Was ist, wenn besetzt ist?“ wollte ich wissen.
Das hatte er sich schon überlegt. „Ich leuchte mit der Taschenlampe dreimal in das Zimmer da.“ Er wies auf das Wohnzimmer. „Ich habe einen Plan vom Haus gesehen; das Licht müsste in jedem Raum außer in Küche und Badezimmer zu sehen sein. Stimmt das?“
„Ja.“
„Und wenn Sie schlafen oder mich nicht sehen sollten, klingel ich an der Tür. Zweimal kurz. Okay?
„Hört sich gut an“, lobte ich.
„Wird schon klappen“, meinte er.
Angie nickte. „Danke, Tim.“
Er nickte, konnte ihr aber nicht in die Augen sehen. Dann ging er zurück zur Strasse und stieg ins Auto.
Ich schnitt Angie eine Grimasse. „Danke, Tim“, wiederholte ich. „Ach, halt den Mund!“
„Sie werden sich schon wieder beruhigen“, meinte Angie. Wir saßen im Wohnzimmer und sprachen über Grace und Mae. Neben der Haustür konnte ich den kleinen roten Punkt der Alarmanlage leuchten sehen. Anstatt mich zu beruhigen, schien er unsere Verletzlichkeit nur noch zu betonen.
„Nein, bestimmt nicht.“
„Wenn sie dich lieben, dann sehen sie irgendwann ein, dass du bei dem Stress einfach ausgerastet bist. Schwer ausgerastet, das gebe ich zu, aber mehr auch nicht.“
Ich schüttelte den Kopf. „Grace hatte recht. Ich hab ihr die ganze Gewalt ins Haus gebracht. Und bin dann selbst so geworden. Ich habe ihre Tochter in Angst und Schrecken versetzt, Angie.“ „Kinder sind nicht unterzukriegen“, beruhigte sie mich.
„Wenn du Grace wärst, und ich hätte diese Nummer vor dir abgezogen, so dass dein Kind wahrscheinlich einen Monat lang Alpträume hat, was würdest du dann tun?“
„Ich bin nicht Grace.“
„Aber wenn du sie wärst.“
Angie schüttelte den Kopf und blickte auf das Bier in ihrer Hand. „Los, sag schon!“
Als sie sprach, guckte sie noch immer auf das Bier. „Wahrscheinlich würde ich dich nie wieder sehen wollen. Niemals mehr.“ Wir zogen uns ins Schlafzimmer zurück und setzten uns erschöpft, aber zu aufgedreht, um schlafen zu können, auf zwei Stühle zu beiden Seiten des Bettes.
Der Regen hatte aufgehört, das Licht im Schlafzimmer war aus, und das Eis warf ein

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