Absender unbekannt
Eric, „komm! Was ist mit der Privatsphäre?“ Ich seufzte. „Ich scheiß auf die Privatsphäre.“
„Wie bitte?“
„Du hast mich schon verstanden, Eric!“ erwiderte ich. „Ich scheiß drauf. Auf die von Dr. Warren und auf deine, tut mir leid. Du hast mich hier reingezogen, Eric, und du weißt, wie ich arbeite.“ Er blinzelte.
„Mir gefällt es nicht, wie sich diese Sache entwickelt.“ Ich blickte aus der Wohnung in die Dunkelheit draußen, auf den eisigen Glanz auf den Fensterscheiben. „Es gefällt mir nicht, und ich versuche gerade, mir einige Einzelheiten zusammenzureimen, damit ich meinen Job tun und Dr. Warren und ihren Sohn beschützen kann. Um das zu können, muss ich alles über euch beide wissen. Über beide. Und
wenn mir der Zugang dazu verweigert wird“ – ich sah Diandra an –, „dann gibt es hier nichts mehr für mich zu tun.“
Diandra betrachtete mich ruhig.
Eric fragte: „Und du würdest eine Frau in der Not sitzen lassen? Einfach so?“
Ich ließ Diandra nicht aus den Augen. „Einfach so.“
„Sind Sie immer so gefühllos?“ fragte sie.
Nur einen Sekundenbruchteil lang hatte ich das Bild einer Frau vor Augen, die auf den harten Betonboden fällt, ihr Körper durchlöchert, mein Gesicht und meine Klamotten mit ihrem Blut getränkt. Jenna Angeline – sie war tot, bevor sie an jenem Sommermorgen auf dem Boden aufschlug, und ich war nur einen Zentimeter von ihr entfernt. Ich antwortete: „Jemand ist in meinen Armen gestorben, weil ich eine Sekunde zu spät kam. Ich möchte nicht, dass das noch mal passiert.“
An ihrem Hals war ein schwaches Zittern zu sehen. Sie hob die Hand und rieb sich die Stelle. „Also sind Sie der Meinung, dass ich mich in großer Gefahr befinde.“
Ich schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Aber Sie wurden bedroht. Sie haben dieses Foto erhalten. Irgendjemand gibt sich größte Mühe, Ihnen das Leben schwer zu machen, und ich möchte gerne wissen, wer das ist, und dafür sorgen, dass er damit aufhört. Darum haben Sie mich engagiert. Können Sie Timpson für mich anrufen und einen Termin für morgen vereinbaren?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Ich denke schon.“
„Gut. Ich brauche eine Beschreibung von Moira Kenzie – alles, woran Sie sich erinnern können, egal wie unbedeutend.“ Während Diandra die Augen schloss, um sich Moira
Kenzie in Erinnerung zu rufen, schlug ich mein Notizbuch auf, zog die Kappe von meinem Füller und wartete.
„Sie trug Jeans und ein rotes Flanellhemd, darunter ein schwarzes T-Shirt.“ Diandra öffnete die Augen. „Sie war sehr hübsch, hatte langes, dunkelblondes Haar, ein bisschen strähnig, und sie rauchte Kette. Sie wirkte vollkommen verängstigt.“
„Größe?“
„Ungefähr eins sechzig.“
„Gewicht?“
„Ich würde sagen, um die fünfzig Kilo.“
„Welche Marke hat sie geraucht?“
Wieder schloss Diandra die Augen. „Es waren lange mit weißem Filter. Die Packung war Gold. >Deluxe< irgendwas oder so.“ „Benson und Hedges Deluxe Ultra Lights?“
Sie schlug die Augen auf. „Genau.“
Ich zuckte mit den Achseln. „Die raucht meine Kollegin immer, wenn sie wieder versucht aufzuhören. Augenfarbe?“
„Grün.“
„Irgendwelche Vermutungen bezüglich der Volkszugehörigkeit?“ Sie nippte an ihrem Wein. „Wohl nordeuropäisch vor ein paar Generationen, vielleicht auch gemischt. Sie könnte irischer, englischer, auch slawischer Abstammung sein. Ihre Haut war ziemlich blass.“ „Sonst noch etwas? Was sagte sie noch gleich, woher sie komme?“ „Belmont“, antwortete sie und guckte dabei leicht irritiert. „Scheint Ihnen das aus irgendeinem Grund nicht einleuchtend zu sein?“
„Nun ja… wenn jemand aus Belmont kommt, dann geht er normalerweise auf eine bessere Schule und so weiter.“
„Stimmt.“
„Und was die Leute als erstes ablegen, wenn sie ihn je besessen haben, ist der Bostoner Akzent. Vielleicht kann man ihn noch so gerade hören…“ \
„Aber nicht so breit wie in >Wenn du zu meiner Paaty kommst, vagiss das Bia nich<, oder?“
„Genau.“
„Aber Moira hatte diesen Akzent?“
Diandra nickte. „Damals fiel mir das nicht auf, aber jetzt, ja, kommt es mir schon etwas komisch vor. Das war kein Akzent aus Belmont, das war Revere oder East Boston oder…“ Sie blickte mich an. „Oder Dorchester“, ergänzte ich.
„Ja.“
„Ein Akzent aus meiner Gegend.“ Ich schloss das Notizbuch. „Ja. Wie gehen Sie jetzt weiter vor, Mr. Kenzie?“
„Ich werde Jason überwachen. Er wurde
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