Absender unbekannt
auf dem Black-Angus-Kühe standen und Menschenköpfe lagen, deren Gesichter ich nicht erkennen konnte. In der Ferne brannte die Stadt, und ich konnte meinen Vater hoch oben auf einer Feuerwehrleiter stehen stehen; er löschte die Flammen mit Benzin.
Das Feuer breitete sich ständig weiter aus, schon züngelte es an den Rändern des Kohlkopffeldes. Um mich herum begannen die Menschenköpfe zu sprechen, zuerst brabbelten sie unzusammenhängend, doch bald konnte ich die eine oder andere Stimme erkennen.
„Riecht nach Rauch“, sagte eine.
„Das sagst du immer“, sagte eine der Kühe und erbrach wiedergekäutes Futter auf ein Kohlblatt, während ihr ein totgeborenes Kalb aus dem Bauch fiel und neben ihren Hufen liegenblieb.
Irgendwo auf dem Feld hörte ich Kara schreien, die Luft wurde schwarz und ölig, der Rauch biss mir in den Augen, und Kara rief immerfort meinen Namen, doch konnte ich die Menschenköpfe nicht von den Kohlköpfen unterscheiden, und die Kühe stöhnten und wankten im Wind, überall um mich herum war Rauch, und bald verebbten Karas Schreie, und ich war dankbar, als die Flammen an meinen Beinen züngelten. Da hockte ich mich mitten aufs Feld, um wieder Mut zu sammeln; um mich herum brannte die Welt, und die Kühe kauten Gras, wiegten sich vor und zurück und wollten nicht weglaufen.
Als ich aufwachte, schnappte ich nach Luft, in der Nase der Geruch von verbranntem Fleisch. Ich konnte mein Herz klopfen sehen und schwor mir, nie wieder mit Devin und Oscar einen trinken zu gehen.
10
Ich war um vier Uhr morgens ins Bett gekrabbelt, so gegen sieben von meinem Salvador-Dali-Traum geweckt worden und schlief erst gegen acht wieder ein.
Was Lyle Dimmick und seinem Helden, dem Countrysänger Waylon Jennings, völlig egal war. Um Punkt neun ging es los: Waylon sang ein Jammerlied über die Frau, die ihn verlassen hatte, und das scharfe Krächzen einer Countrygeige drang über meine Fensterbank und zertrümmerte Porzellan in meinem Schädel.
Lyle Dimmick war ein Anstreicher mit ständigem Sonnenbrand. Wegen einer Frau war er aus Odessa, Texas, nach Boston gezogen. Hier hatte er sie gefunden, verloren, zurückgewonnen und wieder verloren, denn sie ging mit einem Typen zurück nach Odessa, den sie in einer Kneipe um die Ecke kennengelernt hatte, ein irischer Rohrleger, der entdeckt hatte, dass er tief in seinem Herzen doch ein Cowboy war.
Außer meinem gehörten fast alle Häuser in dieser Strasse Ed Donnegan, und er ließ sie alle zehn Jahre streichen. Und wenn es soweit war, heuerte er einen einzigen Anstreicher an, der, egal ob Regen, Schnee oder Sonnenschein, ein Haus nach dem anderen abarbeitete.
Lyle trug einen Cowboyhut und ein rotes Tuch um den
Hals, dazu eine durchgehende Sonnenbrille, die sein kleines, verkniffenes Gesicht zur Hälfte verdeckte. Er schien zu glauben, eine Sonnenbrille gehöre zum klassischen Outfit eines Städters, sie war sein einziges Zugeständnis an das Leben in einer gottverdammten Yankeewelt, die Gottes drei große Gaben nicht zu schätzen wusste: Jack Daniels, Pferde und natürlich Countrymusik.
Ich steckte den Kopf zwischen Vorhang und Fensterscheibe und sah, dass er mir beim Anstreichen des Nachbarhauses den Rücken zugekehrt hatte. Die Musik war so laut, dass er mich nicht hören würde, deshalb schloss ich lieber das Fenster und auch die anderen im Schlafzimmer, so dass Waylon nur noch eine blecherne Stimme unter vielen war, die in meinem Kopf schepperten. Dann krabbelte ich zurück ins Bett, schloss die Augen und betete um Stille.
Doch das war Angie völlig egal.
Um kurz nach zehn wurde ich von ihr geweckt, weil sie durch die Wohnung polterte, Kaffee machte, die Fenster öffnete, um den schönen Herbsttag hereinzulassen, und im Kühlschrank herumwühlte. Dazu drangen Waylon, John Denver und Hank Williams wieder durchs Fenster herein.
Als ich trotzdem im Bett blieb, öffnete sie die Schlafzimmertür und rief: „Aufstehen!“
„Geh weg!“ Ich zog die Bettdecke über den Kopf.
„Aufstehen, Süßer! Mir ist langweilig. Los!“
Ich warf mit dem Kopfkissen nach ihr, doch duckte sie sich, so dass es über ihren Kopf hinwegsegelte und in der Küche etwas zerbrach. „Ich hoffe, du hängst nicht an diesen Tellern!“ lachte sie. Ich stand auf und wickelte mir die Bettdecke um den Bauch, um meine im Dunkeln leuchtenden Boxershorts mit Marvin dem Marsianer zu verdecken. Dann stolperte ich in die Küche.
Angie stand mitten im Zimmer und hielt eine Kaffeetasse in den Händen. Auf
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