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Absolute Beginners

Absolute Beginners

Titel: Absolute Beginners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin MacInnes
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Oberkörper. »Oh, ich möchte, dass du mich fotografierst.«
    »Sie?«
    »Ja. Ist das ungewöhnlich?«
    »Na ja, schon, ein ganz klein wenig. Meine Kunden wollen normalerweise Fotografien von Modellen, die dies oder jenes tun …«
    Ich versuchte, es dem Schleicher leichter zu machen. Aber er sagte: »Also ich, ich will keine Modelle – nur mich.«
    »Aha, verstehe. Und Sie – wobei genau?«
    »In athletischen Posen«, antwortete er.
    »Nur Sie allein?«
    »Natürlich.« Er merkte, dass ich immer noch verwirrt war. »In meinem Turnanzug«, erklärte er.
    Er stellte sein Glas und seine Flasche ab und trat ins Nebenzimmer, während ich in den Ami-Magazinen blätterte und ein Tonic Water trank. Dann erschien er wieder und trug – und ich schwöre, dass ich das nicht erfinde – ein Paar weißgeschnürte, marineblaue Basketball-Schuhe, schwarze Ballettstrumpfhosen, eine nackte Brust voller Stroh, wie eine Weihnachtskarte, und, auf seinem Kopf, eine kleine runde Rennbadekappe.
    »Du kannst anfangen«, sagte er.
    »Wie viele Posen möchten Sie?«
    »So ungefähr hundert.«
    »Im Ernst? Das wird Sie eine Menge kosten … Wollen Sie irgendetwas Bestimmtes tun , oder bloß Posen?«
    »Das überlasse ich deiner Inspiration.«
    »Okay. Dann laufen Sie einfach rum. Seien Sie ganz natürlich.«
    Während ich vor mich hin klickte, überlegte ich, wie viel ich so höchstens verlangen konnte; und ich fragte mich, ob er womöglich pleite war oder wahnsinnig oder im Konflikt mit dem Gesetz, wie so viele in der Hauptstadt dieser Tage. Diese verrückte Lateinamerikaner-Nummer turnte derweil über das komplette Mobiliar seiner Wohnung und warf sich in selbstverliebte Posen, als weide er sich bereits an den Bildern, die ich ihm – von so einem Prachtstück von Mann – überreichen würde.
    So machten wir eine ganze Weile, ohne zu reden, weiter, er schwitzend, ich ihn mit der Kamera jagend wie ein Professor mit einem Schmetterlingsnetz, als er sich einen Drink griff, sich in einen glänzenden weißen Ledersessel fallen ließ und sagte: »Vielleicht kannst du mir helfen.«
    »Mr. Pondoroso, ich dachte, das täte ich.«
    »Nenn mich Mickey.«
    »Wenn Sie möchten«, sagte ich zu ihm, tat cool und lud schnell meinen Apparat nach.
    »Die Sache ist die«, sagte Mr. Mickey P. »Ich muss für meine Organisation eine Studie über britische Lebensart um die Mitte des Jahrhunderts fertigstellen.«
    »Gut«, sagte ich und knipste ihn, wie er da saß und sein Bauch über seine Balletthosen quoll, um möglichst schnell auf meine Hundert zu kommen.
    »Nun, ich habe die Briten beobachtet«, sagte er, »aber mir fällt wenig Interessantes zu ihnen ein.«
    »Wie lange beobachten Sie sie denn schon?«, fragte ich.
    »Sechs Wochen, glaube ich, und ich weiß, das ist nicht sehr lang, aber dennoch, ich krieg einfach keinen Zugang.« Mickey P. blickte mich zwischen zwei Schlucken forschend an. »Sogar das Wetter ist das falsche«, sagte er. »Es heißt, die englischen Sommer seien kalt, aber sieh selbst.«
    Ich verstand, was er meinte. Eine alte Sonne aus der Sahara hatte sich unbemerkt angeschlichen, eine, auf die wir überhaupt nicht gefasst waren, und sie buk uns vom üblichen labbrigen Schnittbrot zu ziemlichen Prachtstücken auf.
    »Fragen Sie mich einfach«, sagte ich.
    »Na ja, nehmen wir nur mal die beiden wichtigsten politischen Parteien«, fing er an, und ich sah schon, dass er zu einem großen Vortrag ausholte.
    »Nein danke«, sagte ich schnell. »Mit keiner von beiden will ich was zu tun haben.«
    Sein Gesicht verrutschte ein Stück.
    »Heißt das, sie interessieren dich nicht?«
    »Wie könnten sie?«
    »Aber euer Schicksal«, sagte er, »wird von ihren politischen Initiativen bestimmt…«
    Ich machte eine gruselige Nahaufnahme von seinem unrasierten Gesicht. »Wer auch immer«, sagte ich, »mein Schicksal bestimmt, Sie können sehr sicher sein, dass es nicht diese parlamentarischen Nummern sind.«
    »Du darfst die Politik nicht verachten«, sagte er zu mir. »Irgendjemand muss sich um den Haushalt kümmern.«
    Hier ließ ich meine Rolleiflex los und wählte sorgfältig meine Worte.
    »Wenn sie beim Haushaltmachen blieben, dem einzigen Hinterhof, in dem man sie einigermaßen frei herumspringen lassen kann, und aufhörten Winston Churchill und Große Armada zu spielen, obwohl es gar keine Zinnsoldaten mehr zum Spielen gibt, dann würde sie auch niemand verachten, weil niemand überhaupt Notiz von ihnen nehmen würde.«
    Mr. Pondoroso

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