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Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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muss«, bringe ich schließlich über mich zu fragen, »diese Totenwache der Lebenden?«
    »Preis? Du sprichst von einem einzigen Preis? Es geht nicht um einen Preis. Du hast viele Preise zu zahlen für das, was du getan hast, für alle Taten, die du begangen hast. Preise, Schulden und Defizite zu deinen Lasten, Clare. Du hast erst angefangen, die Kosten zu begleichen.«
    Nun, da ich dich und Nora heraufbeschworen habe, euch hervorgebracht habe, wie lasse ich dich wieder verschwinden, Laura? Wenn ich Schwarz trüge, wenn ich fastete und Kerzen anzündete und Beschwörungen spräche, mich in Eremitenhöhlen in der Wildnis zurückzöge, vielleicht würdest du mir dann gestatten, den Rest meiner Tage und Nächte ungestört zu verbringen.
    Nach ihrer Hochzeit und ihrem Bekenntnis zur Kirche ihres Mannes schalt mich Nora, weil ich mich nicht an religiöse Regeln hielt. »Glaube ist, was du nötig hast«, sagte sie. »Du brauchst den Glauben, damit er dich auf eine bessere Bahn bringt. Du bist eine böse Frau, Clare, und eines Tages wird dieses Böse dich einholen.«
    »Als Kind habe ich den Glauben gespielt«, erinnere ich mich gesagt zu haben, wütend, dass sie sich anmaßte, mich in einer so persönlichen Angelegenheit zu belehren, »wie man spielt, indem man sich als Prinzessin verkleidet. Ich wusste immer, dass es etwas Ausgedachtes war. Für dich hat, wie ich weiß, Glaube immer eine körperliche Realität gehabt. Ich kann nicht erklären, wie es kam, dass wir so verschiedene Sichtweisen haben.«
    Nora schnalzte missbilligend mit der Zunge und sah überheblicher als gewöhnlich aus. Wir waren im alten Haus in der Canigou Avenue und Mark kroch auf dem Fußboden herum, während Nora ihn fotografierte. »Gott wird dich eines Tages finden«, gurrte sie und schoss ein Foto. »Er wird dich erwählen und zu der Seinen machen. Du irrst, wenn du denkst, du hättest einen freien Willen. Glaube ist keine Sache der individuellen Entscheidung.«
    »Es ist meine Entscheidung!«, schrie ich, wobei ich spürte, wie der Zorn in meinen Augen pulsierte. »Es ist meine Entscheidung, nicht an tröstliche Fantasien zu glauben. Tröstliche Fantasien zerstören diese Welt. Durch die Gesetze tröstlicher Fantasien fühlt sich eine Gruppe berechtigt, alle anderen zu unterwerfen.«
    »Und was ist mit meinem Neffen? Wirst du meinen Jungen außerhalb der Kirche, ohne Gott, aufwachsen lassen?«
    »Er ist nicht dein Junge!« Mark blickte erschreckt zu mir hoch und fing an zu weinen. »Er ist mein Kind und Williams Kind und wir werden ihn zu einem anständigen Menschen, einem guten Menschen erziehen, nicht zu einem Menschen, der sich anderen Menschen wegen seiner Hautfarbe oder des Gottes, vor dem er sich verneigt, überlegen fühlt.«
    »Kinder können ihren Weg nicht selbst finden«, sagte Nora und machte ein Foto von dem in meinen Armen heulenden Mark und meinem wutverzerrten Gesicht. »Sie brauchen Führung. Sie brauchen Erwachsene, die sie anständig führen.« Wieder ein Foto: ein Blitzlicht und noch mehr Geschrei.
    »Du solltest jetzt gehen«, sagte ich und öffnete die Tür.
    Vergangene Nacht kam Nora wieder und sie sah so aus wie an dem Tag, an den ich mich erinnere. Sie sprach, wie sie jetzt immer spricht, zuerst ein Gruß, danach stundenlange ärgerliche Äußerungen zu meinem Werk. Und dann erhob sie sich von ihrem Sitz und legte ihre Geisterhände auf mein Gesicht und ich spürte meine Lider durch ihre Fingerspitzen. Als ihre Hände verschwanden und ich die Augen wieder öffnete, befand ich mich in einem unbekannten Raum, immer noch auf dem Ende eines Bettes sitzend, aber nicht meines eigenen, nicht in diesem Haus. Ich blickte auf meine Beine hinunter und sah an ihrer Stelle Noras Beine, bekleidet von einem Nachthemd. Ein Mann lag neben mir und ich erkannte am Geruch seines Aftershave und der Kampfercreme, mit der seine Fußsohlen eingecremt waren, dass es mein Schwager Stephan sein musste. An der Tür zu diesem neuen Zimmer wurde mit plötzlicher Gewalt gerüttelt und meine Hand fuhr zum Mund, obwohl ich nicht daran gedacht hatte, sie zu heben. Meine Füße zuckten, doch ich hatte es ihnen nicht befohlen. Stephan murmelte etwas in panischer Furcht und ich drehte mich zu ihm um. Der Körper, den ich bewohnte, handelte eigenmächtig; ich war nur ein Besucher in ihm.
    An der Tür wurde wieder gerüttelt und ich stellte fest, dass ich zu ihr rannte, Noras Körper stemmte sich gegen das Holz und sie schaute zurück auf Stephan, der auf dem

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