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Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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Themen: Geschichten über allgemein Menschliches, Hofberichterstattung für kleine Lokalgrößen. Die Wahrheit war, dass du die Nachrufe gern geschrieben und das Beste daraus gemacht hast. Die Familien antworteten dir. Du hast geduldig zugehört und höflich mit jedem, ungeachtet der Person, gesprochen. Du hast die Lebensfakten der Personen, über die du schriebst, überprüft und dreifach überprüft und dann Ausschmückungen vorgenommen, sodass die Nobodys wichtiger wirkten (das hattest du von mir, denke ich gern, trotz deiner leidenschaftlichen Wahrheitsliebe). Familien schrieben und bedankten sich für die Qualität deiner Texte und der Chef vom Dienst scherzte, dass du nur mit dem Schreiben von Nachrufen beschäftigt sein solltest, als Sekretärin und Chronistin der Toten.
    Als du einen Monat dort gearbeitet hattest, hast du eine Frau kennengelernt, die nach einer Kinderbetreuungszeit als freie Mitarbeiterin des Record wieder zu arbeiten begonnen hatte, da das Kind jetzt zur Schule ging. Sie war beinahe zehn Jahre älter als du, aber bei jener ersten Begegnung habt ihr beide eine Verbindung entdeckt.
    »Ich bin Ilse«, sagte sie und ihre dunklen Augen blickten dabei unter einem noch dunkleren Pony hervor. »Haben sie dich schon aus dem Nachruf-Kerker rausgelassen? Sag ihnen, du willst das Kriminalressort. Da sind die wahren Neuigkeiten.«
    Du hast ihr deinen Namen gesagt und sie hat die Arme über der Brust gekreuzt und dich angesehen.
    »Du bist also Bill Walds Tochter?« Der Ton war eher anklagend als erkundigend. Sie war winzig, einen Kopf kleiner als du, doch du warst eingeschüchtert von ihr, als wäre sie ein älteres Mitglied deiner eigenen Familie.
    Du hast nie gehört, dass dein Vater »Bill« genannt wurde, aber Ja, sagtest du, du seist seine Tochter.
    »Er war einer meiner Professoren und ein sehr guter Freund. Ich habe ihn ewig nicht gesehen.«
    Du glaubtest, sie auf einer der Gartenpartys gesehen zu haben, die dein Vater immer für seine besten Studenten veranstaltete, worauf er Wert legte. Aber das musste vor Jahren gewesen sein. Bevor du wusstest, was du da sagtest, kam es heraus: »Ja, Ilse. Ich erinnere mich, wie sehr Papa dich mochte.«
    Ist es möglich, dass du sogar damals schon gewusst hast, dass dein Vater und Ilse ein Liebespaar gewesen waren? Ich wusste es damals schon seit Jahren mit einer gewissen Sicherheit, aber du warst bloß ein Kind, als sie seine Studentin war und die kurze Affäre ihn mehr als gewöhnlich von zu Hause fernhielt, dann ohne Erklärung und mit wochenlangem Schmollen seinerseits endete. Als Nächstes hörte ich, dass Ilse – ich kannte immer nur ihren Vornamen – einen anderen Studenten deines Vaters geheiratet hatte und schwanger war.
    Du warst eine so gute Beobachterin, unmöglich ist es nicht, dass du Bescheid wusstest – nicht nur über deinen Vater und Ilse, sondern darüber, was wir alle so trieben, von dem ein Kind, wie wir meinten, nichts mitbekommen würde.
    Du stelltest deinem Bericht über diese Begegnung eine Zeile voran, die ich nicht zu deuten weiß: Treffen mit Ilse gelungen. Ich fühle einen Schauer den Rücken hinunterlaufen, als ich das noch einmal lese, als hättest du von Anfang an alles geplant, was folgte, die Spieler in Gang gesetzt, indem du dich in ihre Mitte begeben hast.
    Lieber Sam,
    Gott, wie schwachsinnig ich mich anhöre! Sie mögen ja Ihre Freude an dem Projekt gehabt haben, doch Ihre gewissenhafte Abschrift ist für mich eine traurige und heilsame Mahnung, mich in Zukunft auf keine persönlichen Interviews mehr einzulassen. Was man so alles aus dem Stegreif sagt! Ja, um Ihnen bei Ihrem Buch behilflich zu sein, werde ich versuchen, die undeutlichen Passagen zu rekonstruieren, und, mit Ihrer Erlaubnis, überarbeiten, was ich an anderer Stelle gesagt habe, wobei ich den Gesprächsduktus so gut wie möglich beibehalten werde. Was weiß ich denn über Politik? Ich fürchte, ich muss etwas recherchieren und meine dürftigen politischen Ansichten auf anspruchsvollere Art neu formulieren, wenn das in Ihr Buch aufgenommen werden soll. Recht bedacht müssen Sie mich die anderen Abschriften bitte auch sehen lassen – und zwar alle, in ihrer Gesamtheit, ob undeutlich oder nicht –, damit ich daran arbeiten kann, um mich besser verständlich zu machen.
    Ich schicke Ihnen auch etwas, obwohl ich nicht einschätzen kann, wie lange es bis Jo’burg braucht. (Übrigens, warum New York gegen Egoli eintauschen? Ich dachte, das Erstere sei nicht zu

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