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Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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Rasenmähen und Heckenschneiden und Maries geräuschvolles Hin- und Hereilen zwischen ihrem und meinem Arbeitszimmer zu ignorieren versuche, setzt mich eine Migräne außer Gefecht.
    Sie beginnt an der Schädelbasis und arbeitet sich dann quer durch die rechte Kopfseite, als rieben sich zwei tektonische Platten aneinander, die halbmondförmig von der Stirn bis zum Hinterhauptbein reichen. Dann folgen Übelkeit und Sehstörungen, die Doppelnierenform, die ich immer sehe, Formen, welche die Welt innerhalb ihrer Grenzen unscharf werden lassen. Das erste Mal, als das passierte, glaubte ich, blind zu werden. Ich habe gelernt, dass ich nur die Augen schließen und darauf hoffen kann, dass es in ein oder zwei Stunden vorübergeht. Ich lege mich also wieder ins Bett, aber die Kopfschmerzen sind gnadenlos und breiten sich aus, wandern mein Schlüsselbein entlang und breiten dämonische Schwingen über den Schulterblättern aus. Nach einer Stunde, in der ich mich erst auf die linke, dann auf die rechte Seite drehe, auf dem Bauch liege, dann wieder auf dem Rücken, Kissen über und unter den Kopf lege, schlafe ich schließlich ein und träume einen der verstörendsten meiner wiederkehrenden Träume, der in verschiedenen Gestalten erscheint, doch immer ein ähnliches Szenario hat.
    Irgendwann in der jüngsten Vergangenheit, so lautet für gewöhnlich der Kontext, habe ich mich verpflichtet, mich um die Hunde zu kümmern, die einem jungen Paar gehören, das auf der Straße wohnte, in der das Haus meiner Kindheit stand. In den meisten Versionen dieses Traums fällt mir an dem Nachmittag, an dem die Eigentümer von ihrem Urlaub zurückkommen sollen, in der letzten Minute ein, dass ich etliche Tage lang versäumt habe, mich um die Tiere zu kümmern, sie nicht gefüttert und sie nicht in den Garten hinausgelassen habe. Bilder von vor Verzweiflung wild gewordenen Hunden, die Pfoten mit ihrem Kot beschmiert, das Haus unbewohnbar geworden, stürzen auf mich ein. Mit dem Bewusstsein, dass schlimmstenfalls eins der Tiere – oder beide – tot sein könnte, renne ich zum Haus und komme gleichzeitig mit dem Paar dort an; es besteht keine Hoffnung, dass ich die Situation bereinigen kann, bevor sie es entdecken. In der heutigen Traumversion fallen mir die vernachlässigten Hunde erst nach der Rückkehr des Paares ein, was meine Verantwortungslosigkeit noch verschlimmert. Mir wird bewusst, dass das Paar mich nicht angerufen hat, um ihre Ersatzschlüssel einzufordern, doch ich kann mich, schamgeplagt, nicht dazu aufraffen, sie aufzusuchen. Die Drohung einer gerichtlichen Sanktion gegen mich lauert am Rand des Traums: Man wird mich vor Gericht offiziell als Tierquälerin brandmarken, als eine Person, die so unverantwortlich ist, dass man ihr nicht zutrauen kann, für sich selbst zu sorgen, und dass man mich daher an einen Ort wegsperren sollte, wo ich niemandem Schaden zufügen kann.
    Jedes Mal, wenn ich diesen speziellen Traum geträumt habe, geht es um dasselbe Paar. Sie haben entweder zwei Hunde oder einen Hund oder eine Katze und einen Hund. Ich versäume immer, zu tun, was ich versprochen habe, was nicht nur zu einer akut peinlichen Situation, sondern auch möglicherweise zum Tod jener völlig unschuldigen Kreaturen führt, der Tiergefährten, die mit ihren Grundbedürfnissen auf mich angewiesen waren. Was mich beim Aufwachen mehr als alles andere verstört, ist, dass mir keinerlei Grund für das Gefühl, dieses spezielle Paar jemals enttäuscht zu haben, einfällt. Sie hatten keine Haustiere, aber als Halbwüchsige beaufsichtigte ich manchmal in den Schulferien gegen Bezahlung ihre kleine Tochter. Ich weiß, dass ich mich immer gut um das Mädchen gekümmert habe, ihr bis zur Zubettgehzeit vorgelesen, sie zugedeckt und sie getröstet habe, wenn sie nach ihrer Mutter weinte (immer nach der Mutter, nie nach dem Vater), dass ich gewartet habe, bis die Eltern von ihrer Dinnerparty zurückkehrten, und dann von Rodney nach Hause gebracht wurde, dem Mann, der wie ein lasterhafter Cary Grant aussah. Beim Erreichen meines Gartentors drückte er mir stets das Geld in die Hand und seine Handflächen waren feucht und die Banknoten schlaff vor Schweiß. Damals hätte ich nichts dagegen gehabt, wenn Rodney mich beiseitegezogen, gegen einen Baum gedrückt und geküsst hätte. Obwohl nichts dergleichen jemals geschah, durchzieht dieses Gefühl das Traumgewebe wie eine Unternaht, unsichtbar, doch das Futter festhaltend, das alles andere adrett aussehen

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