Absolution - Roman
bevor er, sagen wir, ein Rhodes-Stipendium gewonnen hatte, um Politikwissenschaften in Oxford zu studieren; mit anderen Worten, er wirkte äußerlich wie eine Blaupause deines Bruders oder eines seiner Freunde. Er war ganz und gar nicht so, wie er wirkte. Er hatte nie im Ausland gelebt, und erst Jahre nach seinem Studienabschluss und nachdem er den Wehrdienst überstanden hatte, begann er jetzt, betreut von deinem Vater, an einem Masterabschluss zu arbeiten. Du fragtest dich, was und wie viel Peter wusste von Ilse und »Bill«, wie sie ihn hartnäckig nannte. (Für mich war er nie »Bill«, nicht ein einziges Mal in unserem gemeinsamen Leben, und diese Enthüllung in deinem Notizbuch kränkt mich mehr, als ich erwartet hätte. Törichterweise hatte ich angenommen, die alten Waffen hätten ihre Macht zu verletzen verloren.) Ich stolpere über die Zeile, als ich auf sie stoße: Ich weiß von Ilse und Papa. Und Mama? Wieso hast du es nicht fertiggebracht, mir anzuvertrauen, was du wusstest?
Du konntest gar nicht anders, als die beiden zu mögen, und kamst so gut mit ihnen aus, wie es mit deinen anderen Kollegen – meist Männer, meist älter, verhärtet und trinkfest, von denen einige ihr Leben riskierten, um über Dinge zu berichten, die die Regierung nicht publik werden lassen wollte – nie der Fall sein würde, wenigstens nicht bei dir, einer jungen Frau, die kein Recht darauf hatte, so umwerfend auszusehen und doch so unerreichbar zu bleiben.
Zunächst stand Politik nicht auf der Tagesordnung an jenem Abend und ihr drei erzähltet euch aus eurem Leben. Ilse hatte eine abgeschirmte Kindheit in Graaff-Reinet überstanden sowie einen Doktor als Vater, der sich eines Sonntags nach der Kirche in den Kopf schoss.
»Und deine Mutter?«, hast du gefragt, weil du so viel wie möglich über sie beide wissen wolltest – besonders über die Frau, die dein Vater so anziehend gefunden hatte.
»Nicht lange nach dem Tod meines Vaters fuhr sie sich betrunken zu Tode – sie raste über eine Klippe im Valley of Desolation.« Du sahst vor deinem inneren Auge die hoch aufragenden Fels- und Erdformationen, die Steinsäulen und das steile Gefälle hinunter zum harten Boden der Karoo.
Nach dem Unfall ihrer Mutter zog Ilse nach Kapstadt, wo sie und Peter sich als Studenten kennenlernten. Sie heirateten kurz nach Studienabschluss, was von Peters Banker-Vater und Hausfrau-Mutter missbilligt wurde. Beide waren letztes Jahr gestorben – er an Krebs, sie an einem Herzinfarkt.
»Da seid ihr also jetzt Waisen«, hast du gesagt, »erwachsene Waisen.« Sie schauten dich an, als wäre ihnen dieser Gedanke nie zuvor gekommen und wäre etwas, was ihre Auffassung von sich selbst, sowohl als Individuen als auch als Paar, veränderte. Und du, obwohl über ein Jahrzehnt jünger als sie, kinderlos, wie du warst und immer sein würdest, bis zum Grab, botst dich als die Mutter an, die beide suchten.
Es war aber klar, dass dieses Thema Ilse beunruhigte. Sie wollte nicht über Eltern und Kinder reden und schon gar nicht über Verlust.
»Hasst du denn nicht den Record?«, wollte sie wissen, als Peter eine frische Runde Bier holen ging. »Sie drucken keine Story über eine streunende Katze, wenn sie glauben, es könnte ihnen Ärger einbringen. Und wenn sie dann einmal wirklich über die Townships berichten, was fast nie passiert, tun sie so, als wäre es eine Reportage aus dem Herzen der Finsternis.«
»Warum arbeitest du dann für sie?«
»Die anderen Zeitungen zahlen nicht so gut. Ich habe ein Kind, Peter ist wieder an der Universität, was bleibt mir übrig? Wir müssen Kompromisse machen. Es wird nicht immer so bleiben. Es wird sich etwas ändern. Wir werden dafür sorgen, dass sich etwas ändert, nicht wahr?« Sie sah dich fest und unverwandt an, ihr Blick war halb verdeckt durch die dunklen Haarsträhnen, die ihr Gesicht umrahmten.
Als der Abend fortschritt und Ilse sich weiter dort in der Ecke aufregte, ab und zu von Peter getröstet, der ihr Feuer abkühlte, spürtest du einen leichten Groll in der Brust, eine komplexe Regung. Wer war diese Frau, die so scheinheilig sagte und tat, was sie wollte, ohne die Konsequenzen tragen zu müssen?
Ich lege dich beiseite, Laura, solange du schweigst, und antworte Sam, foppe ihn, locke ihn weiter, hoffe, ihm den Weg zu weisen, ihn dazu zu bringen, den ersten Schritt zu tun, den zu machen ich zu feige bin.
Lieber Sam,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Seien Sie unbesorgt, ich bin nicht beleidigt über
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