Absolution - Roman
Ihr Schockiertsein, obwohl ich vermute, Ihr französischer Freund hätte Ihnen auch geraten, den Empfänger Ihrer Korrespondenz nicht anzuweisen, in bestimmter Weise auf Ihre Worte zu reagieren. Man reagiert auf das, was Worte sagen, und manchmal – zu oft – kann die Absicht unklar sein. Ein Beispiel dafür: Die Worte, die ich geschrieben habe, klingen bissiger als beabsichtigt. Wären Sie hier, könnten Sie das Lächeln in meinem Gesicht sehen und wüssten, dass ich amüsiert bin, doch meinem Gehirn fehlt die Energie, diese Amüsiertheit in meine Worte zu legen, wenn Sie wissen, was ich meine. Wir lesen also und interpretieren die Absicht des anderen nach dem, was der Text sagt (der Text, den der andere geschrieben hat). Am Ende kann es nur das geben, die Worte auf der Seite oder in diesem Fall auf dem Bildschirm. Ich darf Ihnen also versichern, dass ich niemals beleidigt bin, wenn jemand schockiert ist über das, was ich getan oder was ich gesagt haben mag, und am wenigsten dann, wenn es darum geht, was ich geschrieben habe. Es ist oft meine Absicht gewesen – meine größte Hoffnung –, auf diese oder jene Art zu schockieren. (Da haben Sie eine Enthüllung für Ihr Buch.) Leider habe ich das wohl sehr selten geschafft, daher ist Ihr Schockiertsein ein Geschenk für eine alte Frau und es wird mich in der Nacht wärmen, obwohl ich zurzeit keinen Bedarf an Wärme habe, da die Hitze hier wirklich entsetzlich ist – 33 Grad Celsius heute und ein Südostwind, der es noch viel unangenehmer macht. Man sagt, dass Haie in der False Bay gesichtet wurden, Haie, so groß wie Helikopter oder Dinosaurier, Haie, so groß wie Minibusse, Haie, so groß wie Atom-U-Boote. Man weiß nicht, was man glauben soll. Marie hält stets einen Sicherheitsabstand von mindestens zwanzig Metern zum Meer, so überzeugt ist sie, dass Haie dazu bestimmt sind, aus dem Wasser herauszukommen und sich ihre Beute von Land zu holen. Was mich betrifft, so bin ich seit Langem in keinem anderen Gewässer als meinem eigenen Pool geschwommen und habe nicht die Absicht, diese Gewohnheit zu ändern. Da haben wir es wieder – Absicht, der alte Popanz.
Bitte entschuldigen Sie sich nicht noch einmal für Ihre Fragen an mich. (Es ist etwas anderes, würde ich sagen, in seiner Korrespondenz eine Handlung zu befehlen, als eine bestimmte Reaktion auf seine Worte zu verlangen; und hier, das sollten Sie wissen, lächle ich wieder, ironisch.) Ich weiß, dass ich ein schwieriger Kandidat für ein Interview bin. Meine Reputation will es so. Ich hege die Vermutung, dass Ihre in Amerika verbrachte Zeit Sie hat direkter werden lassen, obwohl Sie ein wenig von Ihrer südafrikanischen Art bewahrt haben; wenn überhaupt, dann war es jene Direktheit, die mich gelegentlich überrascht hat. Bei den britischen und sogar bei den hiesigen Wissenschaftlern gibt es mehr Weitschweifigkeit – Fragen, die ganze Absätze umfassen oder Mini-Essays sind, Fragen, die den Befragten ziemlich einschüchtern. Ich denke immer, wenn der Interviewer dem Interviewten so viel zu sagen hat, wozu bin ich dann da? Nehmen Sie zur Kenntnis, dass ich Ihre Zurückhaltung (im Allgemeinen) in dieser Beziehung geschätzt habe. Ich weiß nicht, ob das mit Absicht geschah, und es spielt auch keine Rolle.
Rezensionen – ja, ich lese sie. Ich freue mich auf die Ihre und vertraue darauf, dass Sie sich ehrlich äußern zu den Stellen, wo ich versagt habe. Ich weiß, dass es solche Stellen in dem Buch gibt, wo ich etwas sagen wollte, es aber nicht konnte, aus Rücksicht auf andere, wo ich etwas schlecht gesagt habe, weniger direkt, als ich eigentlich gewünscht hatte. Es geht immer um Schutz – um Selbstschutz, um Schutz meiner Familie. (Hier, privat, kann ich direkt sein. Meiner statt einer.) Daher ist das Buch so distanziert und Distanz schaffend, wie Sie sehen werden. Was ist sicherer, als über sich selbst aus einer verzerrenden Distanz zu schreiben?
Ein eifriger junger Mann an der Universität von Stellenbosch, der in total guter Absicht (da ist es wieder) recht viel nettes, doch ziemlich dummes Zeug über meine Bücher schreibt, hat mich gebeten, eine Lesung auf dem Winelands-Literaturfestival zu machen; Sie wissen bestimmt, wen ich meine. Ich habe seinen Namen momentan in meinen mentalen Papierkorb geworfen und habe keine Lust, ihn wieder herauszuholen. Wie dem auch sei – ich habe zugesagt, ehe ich mich eines Besseren besonnen habe. Ich frage mich, ob Sie sich vielleicht vorstellen könnten,
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