Absolution - Roman
Verbindungen zum MK . Dlamini wurde, wie du weißt, kurz danach verhaftet, und anders als bei anderen Mördern und Leuten in diesem Land, die einen Mord planten – Tsafendas und Pratt zum Beispiel –, stellte man bei Dlamini nicht fest, dass er krank und labil war, sondern verurteilte ihn unverzüglich zum Tode. Er beteuerte nicht seine Unschuld oder behauptete, von einer fremden Macht kontrolliert zu werden (sei sie menschlicher, animalischer oder nationaler Natur), sondern bestand darauf, er habe allein gehandelt, und wünschte nur, die Quintessenz des Apartheid-Staates zu zerstören, oder etwas in der Art. Er starb im Gefängnis, ehe er hingerichtet werden konnte.«
»Ist das das Ende deiner Geschichte?«
Die Kälte in Marks Stimme, sein plötzlicher Einwurf rissen Clare aus ihrer Erzählung. Sie schaute in ihren Schoß hinunter und stellte fest, dass ihr die Hände zitterten. »Ich glaube schon. Wirst du mich ins Kreuzverhör nehmen? Wirst du andere Zeugen aufrufen?«
»Es kann keinen Prozess geben, wo kein Verbrechen stattgefunden hat. Du bist höchstens eine Klatschtante und dein Getratsche hatte den Tod zweier Menschen zur Folge, von denen mindestens eine völlig unschuldig war.«
»Du meinst deine Tante Nora.«
Clare sah zu, wie Mark seine Finger verschränkte und die Stirn runzelte. Sie wusste, was er von ihr denken musste: dass sie ein Monster war, dass er sie nie wieder lieben könnte, vorausgesetzt, er hatte es jemals getan. Er seufzte wieder und sie fragte sich, ob er bei den Terminen mit seinen Klienten, mit den zweifelsfrei Kriminellen, seinen Frust und seine Ungeduld auch so offen zeigte. Sie hoffte um der Unschuldigen willen, dass er es nicht tat.
Schließlich sprach er und seine Augen blitzten dabei vor Wut, wie es aussah. »Nora hat nichts verbrochen, abgesehen davon, dass sie sich in dein Leben einzumischen und Ärger zu machen versucht hat. Ich sehe nicht, dass sie eine politische Funktion hatte. Wenn wir nun alle beseitigen wollten, die ganz gewöhnliche Dummheiten anstellen, würden wir bald den halben Planeten entvölkern. Aber ich vermute, das fändest du gar nicht so schlecht.«
CLARE
Die Vision von dir, nackt in einen Käfig gesperrt, unter der brennenden Sonne, ans Ufer gefesselt und darauf wartend, dass dich das Meer erfasst, dass dich die Raubfische fressen, ist nichts als ebendies: eine Vision. Wenn du gefasst worden wärst, muss ich hoffen, dass dein Schicksal prosaischer gewesen wäre. Sie hätten dich ins Frauengefängnis in Johannesburg gebracht und nach einer Zeit im Trakt für die auf ihren Prozess wartenden Gefangenen und dem Prozess selbst hättest du die Haftzeit abgesessen, zu der du verurteilt wurdest – vorausgesetzt, es war nicht die Todesstrafe –, und zwar in einem der wenigen kleinen, doch vergleichsweise bequemen weiß getünchten Räume.
Ich bin vor nicht allzu langer Zeit noch einmal dort gewesen, in diesem Gefängnis, das jetzt ein Museum ist. Ich habe mir dich in jenem Raum vorzustellen versucht, wie dein schlanker und geschmeidiger Körper sich gegen sein Eingesperrtsein gewappnet hätte. Wenigstens wärst du dort, im Gefängnis, erreichbar gewesen. Wenn man dich verhaftet und eingesperrt hätte, hätte ich vielleicht einen Weg finden können, deine Verteidigung zu unterstützen, hätte noch Briefe mit dir wechseln, dich wiedersehen, dich besser kennenlernen können, um alles, was ich versäumt hatte, auszugleichen, damit du mich wieder lieb gehabt hättest. Ich hätte es wiedergutgemacht, hätte dir gebeichtet, hätte deine Absolution gesucht.
Bei meinem Besuch im Museum fiel es mir schwer, von den Zellen berührt zu sein, die einst für weiße Frauen reserviert waren, oder von den mit ihnen verbundenen Geschichten. Im Vergleich zu den farbigen Frauen, die unter Bedingungen eingesperrt waren, die nicht einmal für Hunde taugten, Bedingungen, die selbst für Ratten eine Zumutung gewesen wären, waren die weißen Frauen relativ bequem untergebracht.
Ich suchte bei den Museumsexponaten nach deinem Namen in den Geschichten vom Widerstand, konnte aber keinen Hinweis finden. Dein Name wurde nicht rehabilitiert. Du bist nicht zur Heldin gemacht worden. Die Heiligen des Kampfs sind die, von deren Ermordung wir wissen oder die überlebt haben, um sich zu heiligen Rednern zu wandeln.
Aber vielleicht ist meine Albtraum-Vision gar nicht so fantastisch. Es gibt Geheimnisse, die in der Geschichte dieses Landes begraben bleiben, Menschen, die entführt wurden und
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