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Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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nie wieder auftauchten, sterbliche Überreste, in anonymen Gräbern verscharrt, deren Lage vergessen oder vertuscht wurde, Leben, für die es keine Rechenschaft gibt, Verschwinden von Personen, das nie aufgeklärt wurde. Vielleicht bist du ja doch entkommen, nach Lesotho oder Simbabwe oder Mosambik, oder bist nach Swaziland oder sogar der Transkei hinübergeschlüpft und wurdest von einem dieser Orte entführt und hierher zurückgebracht oder auf der Stelle getötet.
    Ich sehe dich in einer Bucht an der Nordküste von Natal, in einer der alten Geheimeinrichtungen, deine blasse Haut ist verbrannt und verunstaltet, dein Kopf unter Wasser getaucht, dein Körper von Elektroschocks gezeichnet, deine Arme durchs Aufhängen ausgekugelt, Abschürfungen an Handgelenken und Knöcheln. Deine Folterer sahen dich nicht mehr als Mensch, nicht einmal als Tier, sondern als etwas Unnatürliches, ein Monster, das Leben gestohlen hatte, um sich selbst zu beleben. Sie töteten nicht einfach aus Gleichgültigkeit, jene Männer, und nicht nur aus Hass – sondern aus Furcht.
    Anders als in deinem letzten Notizbuch, das deine Reise mit Sam während der Tage bis zu deinem Verschwinden ausführlich schildert, bietet dieses frühere keine zusammenhängende Erzählung. Es ist stattdessen eine Sammlung von Bruchstücken: Notizen über deine Arbeit, die Geschichten, die du für die Zeitung geschrieben hast, und Tagebucheinträge über dein Leben im Telegrammstil. Wenn du einen Liebhaber hattest, so erwähnst du ihn nicht.
    Die Arbeit beim Cape Record forderte dich immer mehr, während die Wochen und Monate ins Land gingen. Du warst nicht für ein besonderes Ressort zuständig, wie etwa Verbrechen oder Bildung oder Arbeit, die Art von Themen, über die es sich zu berichten lohnte. Stattdessen beließen dich die Herausgeber unten im Pool der allgemeinen Nachrichtenreporter, die zum größten Teil damit beauftragt waren, darüber zu berichten, was die Presse immer als »Vermischtes« bezeichnet hatte: die preisgekrönten Rosen einer Hausfrau, die sie zum Angedenken ihres Mannes gezüchtet hatte; eine Decken-Spendenaktion zugunsten der Armen und Obdachlosen vor den Winterstürmen; ein Bericht aus erster Hand von einem Teenagermädchen, das als Einzige einen Bootsunfall vor Noordhoek überlebt hatte.
    An den meisten Tagen bist du bis spät geblieben, um Berichte fertig zu schreiben, und an anderen Tagen bist du vor Tagesanbruch erschienen. Du hast angefangen, die Wochenenden und Feiertage durchzuarbeiten, als der Nachrichtenredakteur dich so weit eingeschüchtert hatte, dass du mehr arbeitetest, als du gemusst hättest, und anzügliche Bemerkungen über dich machte und sagte, er denke an dich wie an eine Tochter. Du bliebst nicht seinetwegen so lang, sondern wegen der Arbeit, weil du hofftest, dass man dir interessantere Nachrichten anvertrauen würde, wenn du dein Können unter Beweis stelltest.
    Wenn du dann tatsächlich Freizeit hattest, hast du Peter und Ilse besucht. Manchmal bist du zu ihnen zum Abendessen gegangen oder du hast sie in deine Wohnung eingeladen, wo du, als Köchin genauso unbegabt wie deine Mutter, Toast mit Eiern, begraben unter Chutney und geschmolzenem Käse, zubereitet hast. Andere Freunde hattest du nicht, abgesehen von jemandem, den du nur »X« nennst und mit dem du wenigstens einmal pro Woche telefoniert hast. Ich nehme an, dass es ein Liebhaber aus Universitätstagen gewesen sein muss, jemand, der noch in Grahamstown war, vielleicht sogar ein Professor, ein Mann wie dein Vater, der die Hände nicht von seinen Studentinnen lassen konnte.
    »X« machte den Vorschlag, du solltest zu joggen anfangen, um zu entspannen und deine Kondition zu verbessern. Mindestens dreimal wöchentlich bist du abends durch die Straßen von Observatory und Rondebosch gejoggt. Eines Abends hat dich ein Betrunkener, der vielleicht aus dem Wald am Berg getorkelt kam, im Schatten eines Gebäudes gleich um die Ecke von deiner Wohnung angegriffen. Er war groß, doch so besoffen, dass du ihn leicht abwehren konntest, indem du ihm mit dem Knie in den Unterleib gestoßen und die Finger seiner linken Hand zurückgebogen hast, bis sie brachen, und sie dann zu einem Klumpen zusammengepresst hast. Du bist nach Hause gerannt, während er nach der Polizei rief, als hätte er statt deiner beschützt werden sollen.
    Obwohl du über deine Kraft erstaunt warst, bist du nach diesem Erlebnis nur noch am Tag gejoggt, morgens vor der Arbeit. Du machtest Liegestütze

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