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Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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Ich glaubte zu wissen, wie ich die Fragen formulieren sollte, doch dem war nicht so. Ich glaubte auch den Mut aufbringen zu können, Sie zu fragen, doch ich hatte und habe ihn nicht. Der Text, den ich anbiete, ist für Sie, nicht für das Buch. Er ist für Sie und für meine Tochter und für mich, nicht zur Veröffentlichung bestimmt. Die einzige Weise, auf die ich diese Fragen stellen kann, ist, um sie herumzuschreiben, meine eigene Vorstellung von den Ereignissen einzubringen, wie sie mir von Personen geschildert wurden, die notwendigerweise ihre eigenen Versionen der Geschichte haben. Was ich von Ihnen erwarte, wenn Sie sich dazu in der Lage fühlen, ist ein Hinweis darauf, wo ich bei meinen Vorstellungen in die Irre gegangen bin. Ich bitte Sie in der einzigen Weise, die mir zu Gebote steht, mir mitzuteilen, was Sie wissen.
    Liebe Grüße
Clare
    Zuerst bin ich einfach verwirrt und weiß nicht, was ich da lese.
    Du kommst über das Plateau gerannt, gebückt, findest das Loch im Zaun, das du beim Hineinschlüpfen geschnitten hast, hetzt zur Straße hinunter, schälst dich aus der schwarzen Jacke und der schwarzen Hose, darunter Shorts und T-Shirt; du bist eine Rucksacktouristin, vielleicht mit einem künstlichen Akzent, eine Studentin, eine junge Anhalterin. Bald wird der Tag anbrechen. Doch nein, das stimmt nicht, fürchte ich. Vielleicht ist es nicht dort gewesen, nicht diese Stadt, nicht die auf dem Plateau, sondern die weiter aufwärts an der Küste, am Fuß der Berge …
    Sie muss einen Fehler gemacht haben. Sie hätte nie gewollt, dass ich das sehe. Es ist viel zu persönlich. Und dann blättere ich weiter und entdecke mich selbst im Text und mir wird eigenartig zumute. Aber die Versionen von mir und Bernard, die ich hier vorfinde, sind Menschen, die ich nicht wiedererkenne, und die Ereignisse, die sie erzählt, sind nicht die Ereignisse, wie sie geschehen sind. Sie weiß und weiß doch nicht. Als die Zeit für das Abendessen und mein mit Sarah verabredetes Treffen in unserem Hotel näher rückt, lese ich den Schluss:
    Du wünschtest dir, dass er die Arme um dich schlänge und sich an dir festklammerte, dass er schreiend dagegen protestierte, im Stich gelassen zu werden, dass er dich zwänge, zu tun, was du nicht tun konntest.
    Aber er hatte nichts zu sagen.
    Natürlich habe ich mich sofort an ihn erinnert. Nicht erst hier. Ich erkannte ihn auf der Stelle in Amsterdam. Als er so plötzlich vor mir stand, war mir, als blickte mich mein Mörder an. Ich fragte mich, ob er gekommen sei, um sein Pfund Fleisch zu fordern. Aber er ist immer nur nett zu mir gewesen. Was will er?, frage ich mich. Warum kann er nicht sagen, was er zu sagen gekommen ist?
    Auf der letzten Seite ist in den langen Zeilen ihrer zitternden Hand ein kurzes Postskriptum:
    Kommen Sie morgen Nachmittag wieder und sagen Sie, was Sie in Kapstadt nicht gesagt haben. Lassen Sie uns über das sprechen, was zwischen uns ist, wie wir beide wissen. C.

ABSOLUTION
    Obwohl sie noch immer erschüttert von Marks abrupter Abweisung ihres Geständnisses war, versuchte Clare am nächsten Morgen zu ihrer üblichen Routine zurückzukehren. Sie wachte früh auf und war im Pool, bevor ihr Sohn aufgestanden war. Adam traf ein, während sie sich abtrocknete, und sie ließ ihn zum vorderen Tor herein. Nach langwierigen Verhandlungen hatten sie sich auf eine Routine geeinigt, die Clare angenehm war und von der sie hoffte, dass sie auch Adam passte. Er akzeptierte ihr kleines Beet mit exotischen Pflanzen, dem Gemüse und den Kräutern und Blumen, während sie akzeptierte, dass Adam, was die Wachstumsbedingungen und Bodenverbesserungen und die einheimischen Arten anging, als Autorität behandelt werden musste und dass abgesehen von der Einführung ihrer Küchenparterreanlage die Struktur des Gartens unverändert bleiben sollte, zumindest einstweilen.
    Mit Adams Zustimmung bestellte Clare zweihundert Tulpenzwiebeln der Sorte »Königin der Nacht«, die sich, wie sie beschlossen hatte, als lückenlose Masse vor der hellen Hausfront hinziehen und so im Frühling einen dunklen und eleganten Kontrastreifen schaffen sollten. »Wir werden sie jeden Herbst umpflanzen müssen«, sagte sie zu ihm. »Die Königin der Nacht ist eine heikle, unberechenbare Tulpe, nicht sehr robust. Wenn Sie es schaffen, dass sie jedes Jahr blüht, wäre ich beeindruckt. Was glauben Sie, würde Ihr Bruder die Tulpen gutheißen?«
    »Er mochte Tulpen nicht besonders«, sagte Adam, »weil er sie für

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