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Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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weniger, wie es das Buch nahelegt. Doch wie so viele Verbrechen in unserem Land bleibt auch dieses unaufgeklärt.«
    »Aber –«
    »Nein, Samuel. Ernsthaft. Ich habe so viel gesagt, wie ich mich zu sagen traue.«
    Clare lächelt schief und sie wirkt, als würde sie vielleicht mehr sagen wollen, doch es ist klar, dass ich sie nicht weiter drängen kann. Eben da kommt Marie zurück, die viel länger als nötig gebraucht hat, um das Buch des australischen Autors zu besorgen. Clare sagt ihr, dass wir fast fertig sind, und erklärt mir, dass sie mit den Veranstaltern des Festivals zum Dinner verabredet ist.
    »Ich habe sehr viele Verpflichtungen während dieser wenigen Tage. Immer mehr Leute wollen einen Fetzen meiner Zeit ergattern. Die Universität hat sich gewünscht, dass ich einen Monat bei ihnen verbringe, und getan, wozu solche Institutionen in der Lage sind, nämlich mit verführerischen Geldsummen locken, um mich zu überzeugen, dass ich auf dem Campus wohnen und eine Reihe von Lesungen und Vorträgen halten werde. ›Ich brauche das Geld wirklich nicht‹, habe ich der sehr netten Frau gesagt, die an mich herangetreten ist. ›Aber denken Sie an Ihre Kinder und an Ihr Erbe‹, hat sie gesagt. ›Eins meiner Kinder ist seit Langem vermisst und vermutlich tot‹, habe ich ihr gesagt, ›und das andere ist ziemlich begütert.‹ ›Dann spenden Sie doch alles einem verdienstvollen gemeinnützigen Verein. Stellen Sie sich vor, wie viel Gutes damit getan werden könnte‹, hat sie gesagt. ›Ich habe eine bessere Idee‹, schlug ich vor. ›Warum geben Sie das Geld nicht direkt an einen verdienstvollen gemeinnützigen Verein meiner Wahl und wir lassen es damit bewenden?‹ ›Leider funktioniert das so nicht‹, hat die Frau gesagt und in ihrer schrecklich netten Art erklärt, dass es Geld als Bezahlung von Dienstleistungen sei, als wäre ich irgendeine Prostituierte und die Universität der reichste Freier, den man sich vorstellen kann. Das ist nicht nett von mir. Eigentlich denke ich nichts dergleichen, aber es ist nicht ganz meine Vorstellung vom Leben eines Schriftstellers, das ganze autoritäre Kritikergehabe, das Lobgehudel, die intellektuelle Wichtigtuerei in der Öffentlichkeit und – ich spare das naheliegendste Wort aus, weil wir beide wissen, worum es geht. Am Ende habe ich es ihr abgeschlagen und sie gebeten, das Geld an eine Reihe von gemeinnützigen Organisationen zu verteilen, die ich für unterstützenswert hielt. Sie sagte, sie würde es versuchen, befürchte aber, es sei unmöglich. Ob ich wenigstens eine Vorlesung halten würde? Dazu habe ich mich verpflichtet. Ich muss also nächste Woche hierher zurückkommen. Allein der Gedanke daran ist ermüdend. Sie müssen mich entschuldigen, wenn ich mich für heute verabschiede. Andere stellen Anforderungen an mich und ich habe nicht die Kraft, alle abzuwehren.«
    Obwohl sie mich teilnahmsvoll anblickt, frage ich mich doch, ob das eine Sympathieshow ist und sie einfach eine sehr gute Schauspielerin, die die von der Situation verlangte Rolle spielt. Ich nehme Rekorder und Notizbuch und stopfe sie in meine Tasche. Ehe ich das Hotelzimmer verlasse, legt sie mir ihre Hand auf den Arm und hält mich auf.
    »Das können Sie mitnehmen«, sagt sie und gibt mir einen dicken Umschlag, den sie aus der Schublade eines Beistelltisches geholt hat. Ihre Hände zittern, die Unterlippe zieht sich zwischen ihre Zähne zurück. »Das ist für Sie. Das heißt, Sie können es behalten. Ich möchte, dass Sie es lesen. Warten Sie damit, bis Sie zu Ihrer Unterkunft zurückgekehrt sind. Lesen Sie es nicht jetzt. Lesen Sie es nicht in meiner Gegenwart. Lesen Sie es bitte nicht unten in der Hotelhalle und kommen Sie nicht zurückgeeilt. Lesen Sie es und denken Sie nach. Ich höre von Ihnen.«
    Natürlich bin ich neugierig, aber ich verspreche zu warten. Ich laufe zurück in die Stadt und wende mich dann nach Süden, in Richtung des Flusses, kehre in einem Café in Ryneveld ein, wo ich dann meine Neugier nicht länger zügeln kann. In dem Umschlag steckten ein Brief und ein dünnes mit der Maschine geschriebenes Manuskript.
    Lieber Samuel,
    es gibt Fragen, die zu stellen Sie nach Kapstadt gekommen sind, die Sie nicht gestellt haben. Auch ich habe Fragen an Sie. Doch da wir beide nicht den Mut haben, die Fragen zu stellen, auf die wir am dringendsten Antworten erhoffen – die Antworten, ohne die mir das ganze Vorhaben sinnlos erscheint –, biete ich Ihnen den beigefügten Text an.

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