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Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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Progressive Party . Gesteh mir wenigstens das zu.«
    »Schön. Du gehörtest einer politischen Partei an, die Stimme einer kleinen Opposition war, aber wie du selbst deutlich gemacht hast, war deine Hauptsorge persönlicher Natur. Du hast befürchtet, ich könnte dir weggenommen werden. Deine zweite Motivation war sogar von noch persönlicherer Art: der egoistische Wunsch, auf Leute, die du geachtet und gefürchtet hast, den Eindruck zu machen, du könntest nützlich sein. Vielleicht erklärst du dir das jetzt als politische Absicht, was es aber in Wirklichkeit nicht war. Du hast hinter deinem Schreibtisch gesessen und dich von Auseinandersetzungen ferngehalten und mit Freunden und Sympathisanten getratscht. Mag sein, dass du Anfang der 60er Versammlungen besucht hast, aber in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts hast du dich immer mehr in deine Arbeit und deine Lehrtätigkeit zurückgezogen. Gib es zu.«
    »Das muss ich wohl, wenn du es so formulierst.«
    »Wenn also dein Verbrechen nicht politischer Natur war, dann ist Amnestie nicht möglich. Angenommen, du bist dessen schuldig, was du vermutest, dann bist du in den Augen des Gesetzes einfach eine Verbrecherin und solltest als solche behandelt werden.«
    »Und was bedeutet das?«
    »Es bedeutet nichts. Weil du an nichts Schuld hast. Ein lockeres Mundwerk versenkt Schiffe. Du hast geredet, wo du besser geschwiegen hättest, aber du hast den Abzug nicht betätigt. Du hast die Morde nicht geplant. Du bist nicht einmal Komplizin. Du hast deine historische Rolle überschätzt, Mutter, und ich empfehle, du solltest einfach darüber hinwegkommen. Ich sollte dich wegen Missachtung des Gerichts und missbräuchlicher Inanspruchnahme von Amtszeit in Ketten legen und verurteilen lassen. Vielleicht würde etwas Strafe dein Gewissen beruhigen.«
    »Du stellst mich als Heimchen am Herd dar, als tratschende Hausfrau. Bloß ein Papiertiger in einem papiernen Käfig.«
    »Du hast dich selbst eingesperrt, Mutter.« Mark stopfte die Zeitung in seinen Aktenkoffer und klickte ihn zu, betätigte die doppelten Codeschlösser und rückte seinen Schlips zurecht. »Mich hast du überhaupt nicht gebraucht.«
    Clare verbrachte den restlichen Vormittag mit dem Versuch zu lesen, fand es jedoch leichter, weitere Tulpenpflanzungen mit Adam zu planen, als sich auf Worte zu konzentrieren. Worte neigten zu sehr dazu, andere Worte heraufzurufen, und beim Lesen eines unschuldigen Satzes wie: »Der Fisch sprang aus dem See und überschlug sich mitten in der Luft, wobei er das Licht einfing, als der Gämsbock ins Wasser stürmte«, schweifte Clare in Gedanken ab zu Erinnerungen an sich als Kind und ihre Schwester als Teenager und wieder tauchte der Kuchen, gekrönt mit Scheiße, aus der Speisekammer auf, die darauffolgende Anschuldigung, die ganze Geschichte ihrer beider Leben als Schwestern. Tulpen und Jäten, die Stille der Gartenarbeit mit einem Mann, den sie nach und nach ein wenig verstand und dem sie etwas mehr vertraute – das war eine leichtere Art, den Tag herumzubringen, während sie auf die unvermeidliche Rückkehr ihres Sohnes wartete.
    Wenigstens nahm sie an, dass sie unvermeidlich sei. Sie kontrollierte das Gästezimmer und stellte fest, dass sein Koffer noch da war, seine Sachen im Wandschrank. Er hatte das Haus nach dem Frühstück verlassen und sie erwartete, dass er zum Abendessen zurück sein würde, obwohl er nicht gesagt hatte, was er vorhatte. Wenn sein Koffer nicht gewesen wäre, hätte sie annehmen können, er sei schon nach Johannesburg zurückgekehrt, zu seiner Frau, die Clare nicht leiden konnte, und den Enkeln, die sie nie sah.
    Als der Abend kam und sie immer noch nichts von Mark gehört hatte, schob sie ihr aufgetautes Abendessen in den Ofen und schaute sich die Nachrichten an, während das Nussbrot buk. Taxifahrer, wütend darüber, dass ihr Monopol infrage gestellt werden sollte, hatten mit automatischen Waffen auf einen Stadtbus voller morgendlicher Pendler, die aus den Townships kamen, geschossen; es hatte drei Tote und Dutzende Verletzte gegeben. So etwas sollte eigentlich nicht passieren, so sollten sich die Dinge nicht entwickeln nach all den Jahrzehnten der Finsternis, doch Clare konnte sich nicht länger dazu zwingen, so zu tun, als wäre sie überrascht. Überraschung und Empörung waren anstrengende Emotionen. Es war leichter und weniger anstrengend, sich mit der Lage der Dinge abzufinden und zu hoffen, die volle Spanne seines natürlichen Lebens so wenig wie

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