Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
Vom Netzwerk:
wusste, wer sie waren – Stephans Familie, seine Brüder, Cousins, Neffen und Nichten, wer auch immer. Es war klar, was die Perücke zu bedeuten hatte, klar für sie, dass ihre Verstrickung bekannt war, dass jemand sie daran erinnern wollte, dass sie nicht über dem Gesetz stand und nicht über den Forderungen der Geschichte.
    Clare überraschte sich selbst damit, dass sie einen kleinen weißen Stein aufhob und ihn auf den Grabstein ihrer Schwester legte. Es entsprach nicht der Tradition ihrer Familienreligion, aber irgendwie erschien es voller Sinn, der Stein als privates Zeichen für ein Gefühl, das sie nicht beschreiben konnte. Dass sie um ihre Schwester trauerte, wäre zu viel gesagt, und ganz bestimmt hatte sie keine warmen Gefühle für ihren Schwager, aber in ihrem Herzen herrschte ein Aufruhr, den die Bewegung des Steins vom Boden auf das Grabmal einen Moment lang zum Schweigen brachte. Als Clare fertig war, bat sie Marie, sie nach Hause zu fahren.
    »Möchtest du nicht irgendwo zu Mittag essen?«, fragte Marie und es klang hoffnungsvoll.
    »Nicht jetzt, nein, tut mir leid. Wir können auf ein Sandwich irgendwo anhalten, wenn du Hunger hast, aber mir ist der Appetit ganz vergangen.«
    Später an diesem Tag fiel Clare ein, dass sie Ms White anrufen sollte. Es war bald Monatsende. Wann war der Einbruch gewesen? Anfang Dezember vorigen Jahres oder Ende November ein Jahr früher? In ihrem Kopf herrschte Verwirrung, was die Daten anging. Offenbar war es noch Frühling gewesen, gerade warm genug, um die Fenster nachts offen zu lassen. Ms White war kurz angebunden am Telefon.
    »Nun, das ist gut. Sie haben die Perücke gefunden. Ich schätze, der Fall ist erledigt.«
    »Was ist mit Jacobus und seiner sogenannten Gang?«
    »Sie haben keine Anklage gegen sie erhoben, deshalb haben wir sie gehen lassen.«
    »Ist das so einfach?«, fragte Clare ungläubig.
    »So einfach, wie Sie es machen, Madam.«
    »Und was ist mit den Eindringlingen? Keine Hinweise?«
    »Eindringlinge?«
    »Die Leute, die in mein altes Haus eingebrochen sind, natürlich.«
    »Aber wir hatten ihn doch, Jacobus und seine Gang, und Sie haben gesagt, die könnten es nicht gewesen sein, Madam. Ich verstehe nicht. Wünschen Sie nun, dass wir sie wegen Raubes anklagen?« Es hörte sich an, als wäre Ms White ehrlich verwundert, als verstünde sie nicht ansatzweise, was Clares Absichten waren und welcher Logik sie folgten.
    »Es war nicht Jacobus, doch ich muss wissen, wer es gewesen ist. Ich will nur wissen, genau wissen, wer es getan hat – den Einbruch, den Diebstahl. Ich kann Ihnen nur sagen, dass es jemand aus der Vergangenheit war. Jemand aus der Familie meines Schwagers. Seine Verbündeten, seine Brüder oder selbst seine Schwestern. Sie wollen mich bestrafen.«
    »Wenn das eine Familienangelegenheit ist, Madam, warum haben Sie dann überhaupt die Behörden bemüht? Wenn Sie gewusst haben, wer es war, warum haben Sie unsere Zeit verschwendet?«
    »So einfach ist es nicht.«
    »Vielleicht sollten Sie dann die Ermittlung übernehmen. Sie haben einen großartigen Spürsinn. Sie haben diese besondere Perücke Ihres Vaters aufgespürt. Das ist gut. Vielleicht spüren Sie die Einbrecher auf. Und dann können Sie mich anrufen, wenn Sie wollen. Und wir kommen dann und fangen sie für Sie.« Wie einen Ball oder einen Stock, wollte Clare sagen. Einbrecher, die nur zum Spielen da waren, eine Perücke, eine Blechschachtel, zwei Frauen in einem bestimmten Alter. »Oder Sie erledigen die Sache, wie es sein sollte, Madam, als Familie.«
    Aber es handelt sich nicht um meine Familie , wollte Clare sagen. Sie haben nichts mit mir zu schaffen. Sie wissen, was ich getan habe. Sie schicken mir Zeichen. Sie terrorisieren mich.

CLARE
    Es gibt etwas, das ich dir nie erzählt habe, Laura, etwas über mich, das uns ähnlicher sein lässt, als du es dir vielleicht vorstellen kannst. Während ich vieles bedaure – besonders was für eine Mutter ich dir war und was ich dir als Mutter nicht sein konnte –, bedaure ich doch nichts mehr als das: dass ich es versäumt habe, dir die düsterste Wahrheit über mich zu erzählen, als du da warst, um es zu hören, dass ich versäumt habe, dir, als du es gebraucht hast, zu zeigen, wie ähnlich wir waren. Das ist mein wahres Geständnis. Zu gestehen ist das Einzige, was ich für dich tun kann.
    Es ist eine Geschichte über Schwestern: über meine Schwester Nora und mich.
    Vielleicht habe ich es dir nie erzählt, aber schon, als wir

Weitere Kostenlose Bücher