Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
Vom Netzwerk:
Pension aufwecken. Warum, frage ich mich, drohte sie in dieser höchst kritischen Stunde, handelte aber nicht? Sie schaute auf ihren stummen Mann, der entsetzt das Betttuch umklammerte, und Kotgestank durchdrang das Zimmer. (Die Polizisten, der Coroner, sie alle bestätigten das.) Der Eindringling ging erst auf meine Schwester los, während ihr Mann um sein Leben bettelte, im Bett kniend. Und dann passierte es. Er bewegte sich, aber nicht auf den Mörder zu; er krabbelte aus dem Bett und versuchte, das offene Fenster zu erreichen und zu fliehen, und in dem Moment, als seine Beine den Boden erreichten und er seiner Frau den nackten weißen Rücken zukehrte, bewegte sich das Gewehr weg von ihrem Auge und feuerte mit einem leisen Pffft in ihren Mann hinein. Sie schrie nicht und bewegte sich nicht, sondern sah den Mörder an, den ihr Schweigen überraschte, wie er sagte.
    Als ich am nächsten Morgen ihre Leichen sah, dachte ich: Ich habe das getan. Ich habe das verursacht. Ich habe den Mörder zur Tür meiner Schwester geführt. Ich war nicht schockiert von ihrem Tod oder der Gewalt, die man ihren Körpern angetan hatte. Ich wusste, was aus Nahdistanz abgefeuerte Kugeln lebendem Gewebe antun konnten; ich hatte es selbst getan, als ich auf das Pferd meiner Cousine schoss. Mich schockierte einzig, dass ich fähig war, genau die Information zu liefern, die zum Tod meiner Schwester führte, und im Anschluss daran keine Reue zu fühlen. Sie standen auf der falschen Seite der Geschichte, sagte ich mir damals. Damit zumindest hatte ich recht. Was meine eigene Position angeht, kann ich mir nicht mehr sicher sein.
    Du siehst also, Laura, wie ich meine Rolle spielte – nicht so tapfer wie du, aber genauso entschieden und eigensinnig, bestrebt, etwas zu verändern oder wenigstens nützlich zu sein für Engagiertere als ich. War ich herzlos? Waren wir es beide?
    In deinem letzten Brief an mich schreibst du:
    Du weißt, dass ich keine Absolution erbitte, weil du daran nicht glaubst und sie deshalb nicht gewähren kannst oder willst. Ich biete nur dieses Dokument als meine Version der Wahrheit an, einer Wahrheit unter vielen. Bernards Wahrheit sähe anders aus, aber er kann sich nicht äußern. Sams Wahrheit wäre wieder anders und er kann sich noch äußern. Wenn du mir die Absolution verweigerst, wirst du dich dann auch weigern, mich zu beurteilen, oder gehört das Urteilen zu einer anderen ethischen Ordnung?
    Komm zurück. Komm zurück, damit ich es dir ins Gesicht sagen kann, dass ich meine ethischen Grundsätze neu überdenke, dich um Absolution bitte, mich im Namen von Versöhnung und Liebe erniedrige. Du bist alles, was ich jetzt liebe. Ich will nur dich.
    Als die Erde euch aus dem Auge der Sonne drehte, leitete Lionel euch an einen Ort, den er im Schatten der Nuweveld-Berge wiedererkannte. Die Klinik war ein lang gestrecktes, niedriges Gebäude in einer winzigen Siedlung von weiß verputzten Häusern, umgeben von einem Akazienhain. Drinnen brannte Licht und ein Radio spielte. Timothy klopfte beim größten Haus an und seine Mutter öffnete die Tür. Sie war viel älter, als du erwartet hattest, eine kleine Frau in einem adretten Kittelkleid. Sie küsste ihren Sohn auf beide Wangen, dann begrüßte sie Lionel auf dieselbe Weise.
    »Mutter«, sagte er, »das sind Lamia und Sam. Sie haben uns mitgenommen.«
    »Und sie sind den ganzen weiten Weg mit euch gekommen? Puh! Bist du verrückt, Schatz?«
    Im Innern war das Haus hell und unpassend modern. Timothys Mutter Gloria schenkte euch Tee ein und sagte, dass ihr in der Klinik schlafen könntet. »Es sind zurzeit keine Patienten da und es gibt viele Betten. Ihr könnt gern hierbleiben, solange ihr wollt.«
    »Vielleicht eine Nacht. Nur um auszuruhen. Ich kann es bezahlen«, hast du angeboten.
    »Das ist nicht nötig. Sie haben die Jungs mitgenommen. Das ist Bezahlung genug. Möchten Sie nicht noch ein Stück Malva-Pudding? Der schmeckt am zweiten Tag immer besser, finde ich.«
    »Wir bleiben nicht lang. Ich bringe Sam morgen nach Beaufort West. Zu seiner Tante.«
    »Natürlich«, sagte Gloria, als ob Beaufort West eine Stadt wäre, in der ausschließlich Tanten wohnten, die auf die Übergabe von verlorenen Neffen warteten.
    Ähnlich wie bei Glorias Haus versteckte sich hinter der rustikalen Fassade der Klinik ein brandneues Inneres, ausgestattet mit Sprech- und Wartezimmern, einem Operationssaal und einem Schlafsaal mit sechzehn Einzelbetten. Gloria und Timothy halfen euch, zwei

Weitere Kostenlose Bücher