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Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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ich meine, ich habe seine Leiche gesehen. Ich bin getrampt und stieß auf den Lkw und Bernards Leiche. Sam hat sich im Busch versteckt. Sie wurden entführt.« Du hast gewusst, dass die Entführungsgeschichte glaubhaft ist, da Entführungen nicht so selten waren. Und auf gewisse Weise war es ja auch eine Entführung gewesen.
    »Umso besser. Ich meine, dass Bernard tot ist. Nicht die Entführung. Möchten Sie vielleicht eine Tasse Tee oder etwas anderes?«, fragte die Tante.
    »Ich muss weiter«, hast du gesagt, voller Ungeduld, fortzukommen. »Werden Sie sich um Sam kümmern?«
    »Sie wollen ihn hier bei mir lassen?«
    »Er ist doch Ihr Neffe?«
    Ihr habt euch angestarrt. Die Lippen der Tante zogen sich in die Breite und pressten sich an ihr Gebiss.
    »Dann muss ich ihn wohl nehmen.« Sam hatte den Pfirsich aufgegessen und wandte sich zu dir um, den Kern im Mund hin und her rollend, verwirrten Blicks. Du hast wieder daran gedacht, ihn in die Wildnis mitzunehmen, ihn nach deiner Vorstellung zu einem neuen Menschen zu machen, ihn Samuel zu nennen. Aber du hast gewusst, es ist unmöglich. »Sie haben mir wirklich etwas aufgebürdet, Miss – wie heißen Sie?«
    »Das spielt keine Rolle.«
    Sams Tante rollte mit den Augen und schnaubte. »Ich muss schon sagen, das Ganze erscheint mir doch sehr merkwürdig. Einfach so mir nichts, dir nichts aufzutauchen. Ich muss schon sagen, dass kommt mir seltsam vor«, sagte sie, packte Sam, zog ihn zu sich und presste ihn an ihre verblichenen Jeans. Er scharrte mit den roten Schuhen und versuchte sich aus dem Griff der Frau herauszuwinden, doch sie hielt ihn noch fester, indem sie den Druck ihrer Arme um seinen Brustkorb verstärkte. »Jawohl. Diese Frau kommt mir seltsam vor.« Sie hustete, ein tief sitzender Husten, der sie schwanken ließ und das Kind befreite.
    Du studiertest Sam mit der gleichen intensiven Aufmerksamkeit, die er einst dir zuteilwerden ließ. Nach all den unerwünschten Umarmungen, dem Grapschen und Klammern, hattest du das verzweifelte Bedürfnis, von ihm gehalten zu werden, ihn zu halten, noch einmal diese Hitze um deine Taille zu spüren. Du berührtest mit drei trockenen Fingern seine Wange. Er zuckte nicht zurück. Du wünschtest dir, dass er die Arme um dich schlänge und sich an dir festklammerte, dass er schreiend dagegen protestierte, im Stich gelassen zu werden, dass er dich zwänge, zu tun, was du nicht tun konntest.
    Aber er hatte nichts zu sagen.
    Natürlich habe ich mich sofort an ihn erinnert. Nicht erst hier. Ich erkannte ihn auf der Stelle in Amsterdam. Und als er so plötzlich vor mir stand, war mir, als blickte mich mein Mörder an. Ich fragte mich, ob er gekommen sei, um sein Pfund Fleisch zu fordern. Aber er ist immer nur nett zu mir gewesen. Was will er? , frage ich mich. Warum kann er nicht sagen, was er zu sagen gekommen ist?

1989
    Es war kein Zufall, dass Laura und der Junge einander schon kannten, bevor sie ihn dort im Dunkeln fand, im Lkw, und Bernard davor tot auf dem Boden. Der einzige Zufall war, dass sie zur selben Zeit am selben Ort waren. Als seine Eltern sich mit drei anderen Personen vor einer Polizeiwache in die Luft sprengten, wollte der Junge nur einen einzigen Menschen sehen – Laura, weil sie von den Menschen, die er auf der Welt noch hatte, einer Mutter am nächsten kam. Er streckte die Hand nach ihr aus und sie ergriff sie und zog seinen Kopf zu sich und einen Augenblick lang wusste er nicht mehr, ob sie erst aufgetaucht war, als Bernard tot war, oder ob sie schon vorher da gewesen war. Sie saßen eine Weile schweigend dort und sahen in die Dunkelheit hinaus. Der Junge wollte Laura fragen, ob sie seine Mutter sein wolle, da seine eigene nun tot war, doch er fragte nicht. Er wusste, es war unmöglich.
    Unterwegs gab es eine Straßensperre, doch sie zeigte ihren Ausweis und den des Jungen und erklärte, sie sei unterwegs zu seinem Onkel, dem Eigentümer des Lkws. Der Junge überlegte, was mit ihnen passieren würde, wenn die Polizisten den Laderaum öffneten und ihre Fracht entdeckten. Doch sie hatten Glück. Die Polizisten ließen sie weiterfahren und ermahnten sie, vorsichtig zu sein.
    Laura fuhr fast bis zum Morgengrauen zu einer vor Beaufort West gelegenen Farm, wo ihre Kameraden auf sie warteten, und dort sah der Junge Timothy und Lionel zum ersten Mal. Laura sagte dem Jungen, er solle den Männern vertrauen, doch sie müsse fort – sie habe etwas zu erledigen. Vielleicht würde sie ihn wiedersehen und sie versprach,

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