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Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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gepanzerten elektrischen Rollläden, die mit dem gefängnistypischen Klicken von Metall auf Metall schlossen. Automatisch sprang das Lüftungssystem an und blies Luft von solch belebender Frische herein, ließ den feucht-wilden Geruch des Bergs eindringen, dass Clare sich fast befreit in ihrer Zelle fühlte. Später würde sie die Alarmanlage aktivieren. Die Rollläden hatte sie nie zuvor betätigt, Marie gegenüber darauf bestehend, dass sie sich der Belagerungsmentalität nicht beugen würden. Im Unterschied zu den Nachbarhäusern gab es auf ihrer Grundstücksmauer keine Drohschilder mit dem Kopf eines Schäferhunds, nur die Mauer selbst und ihre subtilen Befestigungen, ihre schockierenden eisernen Efeuranken und unsichtbaren Bewegungsmelder. Die elektrischen Drähte hatten keine Schilder, auf denen GEVAAR oder INGOZI stand, diese absichtsvoll-verräterischen Hinweise für die Kriminellen, dass Gefahr drohe. Die einzudringen wagten, mussten mit Schmerzen oder Schlimmerem rechnen, hatte Clare entschieden.
    Die erste vorbereitete Mahlzeit war eine Thunfischquiche, typisch für Maries Küchenkünste, die ihren Schliff Mitte des letzten Jahrhunderts erhalten hatten, als Büchsengemüse und Fleischkonserven beliebt waren. Seit sie in das Haus eingezogen waren, hatte Clare sich angewöhnt, vor dem Fernseher zu essen, weil sie es satthatte, allabendlich förmlich den Tisch zu decken, an dem sie dann beide saßen und sich höflich zu unterhalten versuchten – über Tage, die einander bis zur Ununterscheidbarkeit ähnelten. Jetzt hatten sie einen neuen Brauch eingeführt. Marie stellte ein Schüsselchen mit Salzbrezeln oder Kartoffelchips für Clare hin und Kudu-Biltongstreifen für sich sowie zwei Gläser Wein, aus einem Tetrapak eingeschenkt, und fragte jeden Abend um sechs, ob Clare Tisch oder Tablett wünsche. Clare tat zwar so, als überlegte sie, wonach ihr zumute sei, doch sie entschied sich jetzt immer für Tablett . Dann aßen sie im Wohnzimmer und sahen sich Maries Lieblingsseifenopern an. Empört über die neusten Wirren und Beweise für gesellschaftliches Chaos, welche die rührseligen Geschichten zu bieten schienen, kommentierte Marie das Leben der Filmfiguren, als wären es echte Menschen. »Jetzt kommt wieder so eine Teenager-Schwangerschaftsgeschichte«, sagte sie dann kopfschüttelnd und missbilligend mit der Zunge schnalzend. »Weißt du noch, vor ein paar Monaten war doch schon Teresa von Frikkie schwanger.« Oder: »Jetzt kommt wieder die ganze Diskriminierungsgeschichte, als hätten wir nicht schon genug davon gehabt.« Geschichte für Problem oder Palaver – in dieser Art hatten einst Clares Schwester und die Pretorius-Schwiegereltern gesprochen. Nach etlichen Stunden dieser Art der Unterhaltung verabschiedete sich Clare und ging mit einem Buch zu Bett, das sie während der Nacht zwischen kurzen Zeiten des Schlafs immer wieder zur Hand nahm und las.
    Ohne Marie bewältigte Clare die abendliche Routine allein, so gut sie konnte, obwohl sie, abgelenkt von den Nachrichten, die Quiche im Ofen vergaß, sodass sie eine verbrannte Schicht Eierrahm entfernen musste. Sie zwang sich dazu, einen Salat zu machen, und aß ohne großen Appetit vor dem Fernseher. Sie überlegte halbherzig, sich etwas anderes als die zwei Seifenopern anzusehen, die sie und Marie üblicherweise verfolgten, doch als die Themenmelodie der ersten Sendung erklang, war sie überrascht, festzustellen, dass sie wissen wollte, was mit Teresa und Frikkie und Zinzi und Thapelo geschah. Mittendrin schlief sie ein, den Tablettwagen zur Seite gerollt, und wachte erst nach neun wieder auf, als ein amerikanischer Actionfilm über den Bildschirm ballerte. Das Geschirr würde bis zum Morgen warten müssen. Sie stapelte es ins Abwaschbecken, wobei ihr bewusst war, dass Marie angewidert sein würde.
    »Schmutziges Geschirr lockt Ungeziefer an«, hätte sie gesagt. »Und ich meine damit nicht einfach Mäuse und Küchenschaben, sondern Schlangen , jawohl. Ich habe gehört, dass Mrs Van der Westhuizen letzten Monat Schlangen im Haus hatte, weil sie das schmutzige Geschirr bis zum nächsten Morgen für ihr Mädchen stehen gelassen hatte.«
    Mäuse und Schaben, Schlangen und andere Kreaturen waren heute Nacht willkommen, wenn es ihnen beliebte, vorausgesetzt, sie konnten durch die Rollläden schlüpfen, die den Schutzschild des Hauses in ein Patchworkgebilde aus Stahl und Stein verwandelten.
    Clare war zu müde zum Lesen, ließ jedoch das Buch, dessen

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