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Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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Lektüre sie zu beenden versuchte, neben sich auf dem Bett liegen. Irgendwann in der Nacht würde sie hellwach sein und die Stunden herumbringen müssen. Anfangs hatte sie das Haus für ihre Schlaflosigkeit verantwortlich gemacht, überzeugt, dass etwas an seiner Chemie nicht stimmte. Sie ließ das von einer Handvoll Umweltspezialisten untersuchen, doch Probleme wurden nicht entdeckt. Dann war sie sicher, dass es an der Ausrichtung des Bauwerks lag oder an einer von ihr und Marie zu verantwortenden ungünstigen Anordnung der Möbel. Obwohl sie an derlei nicht glaubte, hatte sie eine Frau aus Mowbray konsultiert, die Feng-Shui-Expertin zu sein behauptete. Sie stellte die Stühle und Sofas ein wenig um, drehte Clares Bett so, dass das Kopfende zum Fenster blickte, hängte zwei Spiegel auf und verkündete, dass der Raum für ein Haus seiner Art ausgewogen sei. Doch das Problem bestand weiter. Dann hatte Clare einen deutschen Innenarchitekten aus Constantia beauftragt, alle Räume in beruhigenden neutralen Farben mit ungiftiger Farbe neu zu streichen, aber auch das änderte nichts.
    »Vielleicht liegt das Problem bei dir und nicht beim Haus«, hatte Marie gesagt. »Ich habe keine Schlafprobleme, außer wenn ich vergesse, tagsüber genug Wasser zu trinken, da bekomme ich dann mitten in der Nacht die schrecklichsten Krämpfe.«
    Clare schnaubte und rollte mit den Augen.
    »Ich will nur andeuten, dass du vielleicht jemanden deswegen konsultieren solltest. Es heißt, dass Schlaflosigkeit möglicherweise, wie hieß es doch gleich …«
    »Du hast wieder Online-Arzt gespielt. Medizin ohne Lizenz praktiziert.«
    »… ein Indikator . Es heißt, dass Schlaflosigkeit möglicherweise ein Indikator für ein schwerwiegenderes Problem ist.« Da war wieder das Zungenschnalzen, eine Hand war in die Taille gestützt, die andere zeigte anklagend mit dem Finger. »Du solltest das wirklich untersuchen lassen.«
    Mehr um Marie zufriedenzustellen, als weil sie hoffte, kuriert zu werden, hatte Clare ein Blutbild, ein Kardiogramm und eine Computertomografie des Schädels machen lassen. Alle Untersuchungen ergaben, dass ihr körperlich nichts fehlte – für eine Frau ihres Alters war sie bemerkenswert gesund. Ihr Arzt schlug eine Psychoanalyse vor, aber dazu konnte sie sich nicht entschließen. Sie sprach mit ihrer Cousine Dorothy, die in der Vergangenheit an Schlaflosigkeit gelitten hatte und die Clare vorschlug, einen traditionellen Heiler zu konsultieren, einen Sangoma.
    »Die wissen, was sie tun. Da geht es nicht nur um Medizinmänner und Knochen und derlei Unfug. Sie nutzen Kräuter. Es könnte helfen«, hatte sie gesagt. »Schaden könnte es nicht, glaube ich, wenn du einen seriösen erwischst.«
    »Wo sollte man denn einen traditionellen Heiler suchen, der ›seriös‹ ist, wie du es nennst?«
    »Schau ins Telefonbuch – oder frage deinen Gärtner. Die wissen das immer.«
    Clare befürchtete, dass Adam so eine Anfrage eventuell falsch auffassen würde, und konnte sich nicht dazu durchringen. Eine größere Rolle spielte, dass Quacksalber der »westlichen« Medizin das eine waren, Wahrsager und Mittelsmänner zur Geisterwelt, Medien für die Seelen der Ahnen jedoch etwas ganz anderes.
    Weil sie überzeugt war, dass das Problem schließlich verschwinden würde, hörte sie auf, die Schlaflosigkeit zu bekämpfen, und arrangierte sich mit ihr, betrachtete sie schließlich wie ein Schatten-Ich, das – wie ein kleines Kind – nach Aufmerksamkeit, Zerstreuung und Nahrung heischte. Es konnte nicht zur Ruhe gebracht werden, bis nicht einige Seiten gelesen, Notizen gemacht, Gedanken zu einem provisorischen Raster der Stille und Ordnung arrangiert worden waren, jeder sauber in sein Fach gesteckt. Der Frieden blieb dann eine Stunde oder zwei erhalten, bis die Schlaflosigkeit sich langweilte oder sie unruhig wurde und verlangte, dass das Spiel von Neuem beginne, und die Gedanken sich frenetisch im Kreise drehten. Es war eine Daseinsweise, wenn auch eine unbefriedigende.
    Als ihr Gatte sie verlassen hatte und sie zum ersten Mal allein schlafen musste, nach all den Jahren mit einem warmen Körper neben sich, war Clare erstaunt gewesen, wie kalt das Bett war, in dem nur sie lag. Er war im Winter gegangen, und während der ersten paar Nächte hatte sie weiter auf ihrer gewohnten Seite geschlafen, näher zur Tür, und hatte Kissen auf der ehemaligen Seite von William drapiert, um den Luftzug zu unterbinden. Nach einer Woche, in der sie von diesen

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