Abstauber
»Nicht einmal, wenn mich das vor
der Hölle retten würde.«
Martin nickte. »Dieser Bärlach hätte
das Foto mit seinem Handy auch abfotografieren können!«
Tauner war es im Moment egal. »Hat
er aber nicht.«
16
Am Tag des Halbfinalspiels erhob Tauner sich nüchtern und ausgeschlafen
aus seinem Bett. Der Morgen erstrahlte so jung und frisch, dass sogar Tauner sich
mit dem Sommer anfreunden konnte. Er kochte sich einen Kaffee, eine Seltenheit,
weil er ja eine Pia hatte, die das konnte. Außerdem schaltete er das Radio an, in
der Hoffnung, es käme ein Lied, das ihm nicht gleich die Nerven raubte. Nach einigem
Suchen wählte er das kleinste aller Übel, den Oldie-Sender. Aber selbst die Tatsache,
dass die Musik seiner Jugend nun schon zu den Oldies gehörte, konnte seiner Laune
keinen Abbruch tun.
Bald verließ er das Haus mit der
Absicht, einmal eher als Pia im Büro zu sein. Pfeifend stieg er in den BMW, schaltete
auch hier das Radio ein und verzog ein klein wenig den Mund, als die überdrehten
Moderatoren über das Spiel zu sprechen begannen. Dann klingelte sein Handy. Er nahm
es hervor und sah die Nummer der Staatsanwältin. Sein Pfeifen verstummte, und ohne
den Anruf anzunehmen, fuhr Tauner los.
Bald schaltete er das Radio aus
und begann, wütend auf das Lenkrad zu trommeln, während er sich ein wenig aggressiv
durch den morgendlichen Verkehr schlängelte. Schließlich hielt er bei einem Bäcker,
um sich eine Zeitung zu kaufen und sich zu vergewissern, was er im Radio gehört
hatte.
Kaum hielt er die Zeitung in den
Händen, klingelte sein Telefon erneut so, als ob die Diekmann-Wachte ihn sehen konnte.
Schlagartig war die Luft nicht mehr morgendlich frisch, sondern schon viel zu warm,
der Verkehr war zu dicht, das Gehupe zu laut und Tauners Leben nach einem kurzen
Abstecher ins Wunderland der Entspanntheit zurück in alter Bahn.
Die Staatsanwältin rief noch vier
Mal an, bis Tauner endlich in seinem Büro angelangt war. Dort empfing ihn Pia, die
offenbar niemals später kam als ihre Chefs. Zumindest konnte Tauner sich an keine
einzige Gelegenheit erinnern. Sie stellte ihm einen Kaffee hin und ging wortlos
in ihr Büro zurück, was bedeutete, sie wusste, was los war.
Uhlmann kam zehn Minuten später,
hatte eine Zeitung in der Hand und wollte sie gerade auf Tauners Schreibtisch werfen,
als er sah, dass dort schon eine lag.
»Von wem hat er das?«, fragte Tauner
grußlos und tippte auf das Interview mit Ehlig, welches doppelseitig abgedruckt
war.
»Nun ja, ich würde sagen, von seiner
beleidigten Frau und diese wiederum hat es von dir!« Hans ließ keine Zweifel daran,
dass er daran keinen Zweifel hatte. Er setzte sich hinter seinen Schreibtisch und
holte sein Frühstück hervor.
»Die Wachtel hat mich schon hundert
Mal angerufen. Das kann sie sich doch sparen, oder? Ich weiß, was die sagen wird,
und sie weiß, was ich antworten werde.«
»Sie ist aber eine Frau und wird
es trotzdem sagen wollen!« Darüber war sich Uhlmann sicher.
»Pia, hab ich nicht irgendeinen
Termin, zu dem ich mich verdrücken kann?«
»Heut vierzehn Uhr kommt der junge
Mann wegen der Zeugenaussage.«
»Und Spechtler? Ist der nicht wieder
in Dresden? Nehm ich mir den eben vor!«
»Der ist gestern Abend hier angekommen
und noch in der Nacht wieder losgefahren. Jetzt ist er in Berlin, dort wohnt eine
Cousine seiner Frau.«
»Dann nehmen wir ihn eben wieder
fest!«, bestimmte Tauner.
»Ich glaube, das wird dich jetzt
nicht vor der Diekmann-Wachte retten«, brummelte Uhlmann.
»Aha, und warum nicht?«
Uhlmann hob den Finger und Tauner
hörte die sich nähernden Schritte im Flur. Er fluchte lautlos, dann hatte er eine
Idee, holte schnell sein Telefon hervor, wählte Bärlachs Nummer an und legte nach
kurzem Klingeln wieder auf. Dann sprang die Tür auf, und diesmal war die Staatsanwältin
wirklich wütend, das sah man ihr an.
»Warum machen Sie nicht gleich ein
Interview mit der Bild-Zeitung? Da können Sie denen gleich erzählen, dass Sie noch
immer keinen Plan haben. Und vor allem können Sie denen erzählen, dass Sie bald
nicht mehr der Leiter der Mordkommission sind.«
»Das haben Sie nicht allein zu entscheiden!«
»Nein, das habe ich nicht, das ist
wahr, aber ich werde mich auch gar nicht darum kümmern müssen, das tun Sie schon
von ganz allein!«
Tauner sah auf und war wütend auf
Bärlach, weil dieser nicht zurückrief und ihn aus der misslichen Lage befreite.
Er wusste, dass er sich bis zu einem gewissen
Weitere Kostenlose Bücher