Abstauber
zum Zimmer, welches Frau Ehlig zuerst betrat.
»Ich …«, sagte Tauner, als er die
Tür hinter sich schloss, doch die Ehlig fiel ihm mit ihrem ganzen Körper ins Wort.
»Kein Wort mehr!«, zischte sie.
22
»Er war seltsam in den letzten Wochen«, sagte schließlich Frau Ehlig,
nachdem ihr Schweiß abgekühlt war und sie frösteln ließ. Sie langte zur Seite und
zog die Bettdecke über sich. Dann tauchte sie ihr Gesicht in Tauners Halsbeuge,
schmiegte sich an ihn. Es war dunkel geworden, das Hotel war ruhig, doch in der
Ferne tönte Geschrei. »Er war so reserviert.«
»Sagtest du nicht, er sei immer
so, kümmert sich nur um Fußball?« Tauner wusste nicht einmal, ob er Du sagen sollte.
»Ja, das stimmt, aber es war, als
hätte er sich vollkommen von mir abgewendet. Er hatte schon immer viel zu tun, war
oft weg.« Frau Ehlig drängte sich noch dichter an ihn, so als wollte sie sich in
ihm verkriechen, als suchte sie nach einem so festen Halt, der sie selbst vor dem
schlimmsten Sturm beschützen konnte.
»Als er Nationaltrainer wurde, da
spürte ich so eine Freude bei ihm. Er war so gelöst, war aufgedreht wie ein kleiner
Junge, natürlich nur in meiner Gegenwart. Und dann verschloss er sich plötzlich.
Zwar hatte er noch mehr zu tun, musste Spiele beobachten, Werbefilme drehen, Interviews
geben und natürlich die Mannschaft trainieren. Aber anstatt sich mir anzuvertrauen,
wie er es manchmal tat, wenn er Stress hatte, war es, als wäre ich für ihn ein Fremdkörper
geworden. Als könnte er mich nicht mehr ertragen.«
»Glaubst du …«
»Er hat keine andere Frau … keine,
mit der er jetzt schläft.« Frau Ehlig zögerte. Dann wälzte sie sich zur Seite, begann
in ihrer Handtasche zu wühlen und kehrte mit einem Blatt Papier in der Hand zu Tauner
zurück. »Das hier habe ich gefunden. Ich habe danach gesucht, gebe ich zu. Ich habe
die Villa auf den Kopf gestellt, um irgendetwas zu finden, das mir erklären konnte,
woran es lag, dass er mich nicht mehr liebte.«
Tauner schaltete die Bettlampe ein,
nahm das Blatt, las es und verstand nicht recht. »Er ist Vater?«, fragte er deshalb.
»Er ist der Vater von Jansens zweitem
Sohn!«, erklärte die Ehlig.
Tauner ließ das Blatt sinken und
Unwohlsein stieg in ihm auf. Daher war ihm der Mann auf dem Foto so bekannt vorgekommen,
nicht weil er in der Wirtschaft tätig war, sondern weil er Züge seines echten Vaters
trug. »Hat er den Test angefordert?«
»Er hat ihn offenbar heimlich machen
lassen. Er hat auch keine Klage angestrengt oder die Vaterschaft beantragt, er wollte
offenbar nur Gewissheit.«
»Aber wenn er Vater des zweiten
Kindes der Jansen ist, bedeutet das, sie hatten noch etwas miteinander, als sie
schon mit Jansen verheiratet war.«
»So muss es sein.«
»Und hat er sich mit der Jansen
deshalb öfters getroffen in den letzten Wochen?«
Frau Ehlig zögerte. »Davon weiß
ich nichts«, sagte sie leise.
Tauner stemmte sich hoch. »Es fühlt
sich schlecht an. Nichts stimmt mehr. Wie spät ist es?«
»Du willst wissen, wie lange das
Spiel noch läuft«, sagte Frau Ehlig, langte nach der Fernbedienung und schaltete
den Fernseher an. »Eins zu null für Deutschland, noch zehn Minuten.«
Tauner legte sich zurück und hielt
sich die Stirn. Welchen Grund hätte Ehlig, Jansen umzubringen, wenn es nicht ums
Geld ging? Was hätte er davon, Jansen jetzt umzubringen, nachdem er weiß, dass er
der Vater eines von Jansens Kindern war und dass Jansen im Prinzip seinen Sohn aufgezogen
hatte? Hätte nicht eher Jansen wütend sein müssen, wenn er es erfuhr?
»Da ist dieser Widerling!«, flüsterte
die Ehlig und Tauner dachte zuerst, sie meinte ihren Mann. Der war aber gar nicht
im Bild.
»Wer denn?«
»Jetzt ist der weg, wenn sie die
Trainerbank wieder einblenden, links davon, zehn Meter weiter hinten steht Seiler,
er hat einen schwarzen Anzug an und eine DFB-Krawatte. Da!«
»Der Großcousin von dem Seiler aus
Hamburg? Was ist mit dem?«
»Er ist so … wie der Großwesir in
einem Märchenfilm, verstehst du? So ein ekelhafter … wie eine Schlange!« Tauner
nickte. »Der war bei uns zu Besuch, schon ein paar Mal. Er ist so penibel, kommt
mit Schlips zum grillen, beschwert sich, dass der Wein zu kalt ist, seine Frau darf
keinen Ton sagen, die nickt nur und lächelt. Sein Auto ist immer geputzt, der bügelt
jeden Abend seine Hosen im Hotelzimmer, hat Klaus mir mal erzählt.«
»So sind manche eben.«
»Einmal, als
Klaus am Tag vor der EM noch einmal
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