Abtruennig
überlegte ich, was ich tun sollte. Immerhin war ich dabei, in die Privatsphäre einer Frau einzubrechen, die mir vor ein paar Stunden noch klar gemacht hatte, ich sollte mich von ihr fernhalten. Unschlüssig stand ich nun da und ich kam mir plötzlich vor, wie ein schwer pubertierender Dreizehnjähriger, der seiner ersten Flamme Avancen machen wollte. Bis auf das Erste, stimmte es ja auch. Irgendwie. Diese ganze Situation kam mir auf einmal unglaublich bescheuert vor. Was zum Teufel tust du da? Die Stimme hatte vollkommen Recht. Natürlich hatte sie Recht, wie fast jedes Mal.
Kopfschüttelnd drehte ich mich um, ich war bereit wieder nach unten zu springen. Eine kleine Sache ließ mich aber inne halten. Schon wieder.
Lesley! Sie wälzte sich stöhnend in ihrem Bett herum, das Geräusch klang, als hätte sie Schmerzen oder einen schrecklichen Alptraum. Erneut ging ich zur Tür und es herrschte abrupt totale Stille. Nur das Zirpen einiger Grillen war zu hören, die auf einer entfernten Wiese ihr nächtliches Lied spielten. Um alles in der Welt wollte ich jetzt dort drinnen sein. Bei ihr. Obwohl ich so gut wie nichts über diese Frau wusste, hatte ich den Wunsch, sie in meinen Armen zu halten. Es war das erste Mal, dass ich mir vorstellte, wie es wäre, kein Vampir zu sein. Wenn ich ein ganz normaler zweiundzwanzigjähriger junger Mann wäre, der dabei war, sich zu verlieben. Gut, dann würdest du natürlich nicht mitten in der Nacht auf dem Balkon der Angebeteten stehen, wie ein dämlicher Spanner. Hatte sie letztes Mal nicht so etwas gesagt, wie: ich wäre ein Stalker? Ich seufzte. Mir wurde klar, dass Peter mit seinen Äußerungen von vorhin, nicht so falsch gelegen hatte. Auch, wenn ich ihm genau das hatte weiß machen wollen. Frustriert rieb ich mir über die Augen und obwohl ich nur für den Bruchteil einer Sekunde abgelenkt war, hatte das schon eine fatale Auswirkung.
Liz wachte auf.
Verdammt! Ich wusste nicht, ob sie meine Gestalt von ihrem Bett aus sehen konnte, denn die fast durchsichtigen Vorhänge und das helle Mondlicht waren nicht gerade günstig. Ich durfte es letztendlich nicht riskieren. Blitzschnell verließ ich meinen Platz und im selben Moment stand Lesley bereits auf. Ihre Füße machten auf dem Teppich leise, schlurfende Geräusche und jede ihrer Bewegungen vibrierte in meinen Adern. Eine Erklärung dafür hatte ich nicht. Vielleicht hatte es mit ihrem Blut zu tun? Aber ich war nicht durstig, deswegen verbannte ich diese Vermutung sofort wieder aus meinem Kopf. Ich spürte, wie sie näher kam, langsam und doch wusste ich, dass ich mich entscheiden musste.
Mir blieb nichts anderes übrig, also sprang ich kurzerhand wieder nach unten.
Als die Balkontüren sich öffneten, war ich bereits bis in das nahe gelegene Wäldchen zurück gewichen. Ich stand im Schutz einer riesigen Eiche und beobachtete sie, ohne dass sie meine Anwesenheit hätte bemerken können. Lesleys Erscheinung erstrahlte im seichten Licht des Mondes. Sie trug ein langes Nachthemd, das sich um ihre weichen Rundungen schmiegte. Das Haar tanzte in leichten Wellen auf ihrem Kopf, als sie sich über ihre nackten Arme strich. Sie schien ein wenig zu frieren und dennoch blieb sie für eine Weile dort oben auf dem Vorsprung stehen und starrte einfach nur in den Sternenhimmel über uns. Eine leichte Brise kam auf und trieb mir den süßen Duft ihrer Haut entgegen. Mit jeder Faser meines Körpers genoss ich diesen Umstand, wenngleich er auch nur von kurzer Dauer war. Noch offensichtlicher konnte es eigentlich kaum werden.
Es war bereits zu spät.
Ich war schon längst dabei, diesem sterblichen Mädchen mein kaltes Herz zu schenken, ob sie es nun wollte oder nicht.
Die nächsten Tage verliefen überaus frustrierend. Wie voraus gesagt, schien am nächsten Morgen die Sonne und mir blieb nichts anderes übrig, als im Schatten zu bleiben. Dies hatte natürlich zur Folge, dass ich die ganze verdammte Zeit über damit beschäftigt war, an eine bestimmte Person zu denken. Die Dämmerung rückte immer weiter in die Ferne, es war kaum auszuhalten. Für meine Aktion in der letzten Nacht bestrafte ich mich selbst, indem ich mir vornahm nicht noch einmal auf so eine glorreiche Idee zu kommen. Ich wollte mich damit begnügen, sie am nächsten Morgen in der Uni zu sehen, sofern es sich das Wetter nicht wieder anders überlegte. Nicht, dass es der Stimme in meinem Kopf gefiel, aber mittlerweile fluchte sie nur noch leise vor sich hin. Wahrscheinlich
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