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Abtruennig

Abtruennig

Titel: Abtruennig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Dungs
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wusste sie, dass ich momentan nicht anders konnte. Diese Geschichte war wirklich ziemlich verwirrend, aber das war anscheinend trotzdem nicht genug.
    Es wurde nämlich noch schlimmer.
    Lesley kam die nächsten drei Tage nicht mehr zum Campus. Ich redete mir daraufhin ständig ein, dass es so ja auch besser war. Schließlich dienten unsere Gesetze einem einzigen Zweck; dem Schutz von Menschen und Vampiren gleichermaßen. Hätte ich überhaupt einen Plan gehabt, wie es mit ihr und mir funktionieren sollte? Abgesehen davon war ich vielleicht dabei mir irgendetwas vollkommen Unmögliches vorzustellen, doch wie konnte ich davon ausgehen, dass Liz auch nur annähernd das Gleiche für mich empfand, wie ich für sie. Zu meiner Verteidigung sprach wohl nur die Tatsache, dass ich das erste Mal in so einer absurden Situation war. Ich kam zu dem Entschluss, dass Ablenkung das Mittel war, was ich jetzt dringend benötigte. Das wurde mir aber natürlich auch vorenthalten.
    Es gab seit meinem letzten Alleingang nichts Neues. Auf unseren Streifzügen hatten wir bisher keine weiteren Abtrünnigen oder Neuankömmlinge mehr aufspüren können. Es war beängstigend ruhig. Sollte das Spiel gegen Oxford womöglich ohne Zwischenfälle auskommen? Ich konnte es mir nur schwer vorstellen. Wenigstens regnete es jetzt wieder die ganze Zeit über konsequent durch. In einem Anfall von – was auch immer es war – sprach ich ein paar Studenten auf dem Universitätsgelände an. Es waren Jungs aus der Rugbymannschaft und obwohl sie mich nicht unbedingt kannten, ließen sie mich allen Ernstes mitspielen. Mein Erscheinungsbild wirkte relativ durchtrainiert, und sie gingen wohl davon aus, dass ich die nötige Fitness besaß, um mit ihnen mithalten zu können.
    Sie hatten ja überhaupt keine Ahnung! Ich hatte mich noch niemals auf solch eine Art ablenken müssen. Überraschenderweise tat es gut, mir war jedoch klar, dass ich mich endlich zusammen reißen musste. Das war eine absolute Ausnahmesituation gewesen, nicht zuletzt, weil ich unentwegt an Liz dachte und dabei einen Kerl viel zu heftig attackiert hatte. Ich hatte ihm versehentlich eine Rippe gebrochen. Hätte ich mich bloß für das Ruderteam entschieden.
    Es stellte sich mir unweigerlich die Frage, ob das jetzt jeden weiteren Tag so gehen würde. Ein Menschenleben war schon lang, aber die Ewigkeit war, selbst für mich, kaum vorstellbar. Ich konnte doch nicht jeden Tag irgendwelchen Jungs die Knochen brechen. Menschliche Aktivitäten auszuüben setzte nun einmal eine gewisse Konzentration voraus, die ich zurzeit einfach nicht besaß. Ich musste das ganze im Keim ersticken, so lange ich noch eine Wahl hatte. Die Stimme wurde sofort hellhörig und pflichtete mir bei. Eine letzte und vor allem endgültige Abfuhr würde mich vielleicht wieder zur Vernunft kommen lassen. Hatte ich irgendeine Alternative?
    Um mich selbst zu überlisten, damit ich keinen Rückzieher mehr in Betracht ziehen konnte, machte ich mich direkt nach dem vermeintlichen Sporttraining auf, um Liz zu treffen. Ich war mir irgendwie ziemlich sicher zu wissen, wo ich sie finden konnte. Ich entschied mich gegen mein Auto. Wenn ich zu Fuß durch den Wald hetzen würde, wäre ich deutlich früher dort als mit meinem BMW. Abgesehen davon würde mich niemand sehen und ich bräuchte mich nicht mit dem Wachpersonal herumzuschlagen. Noch mehr Menschen, noch mehr Probleme, das konnte ich mir nun wirklich sparen.
    Der Regen war stärker geworden und ich war vollkommen durchnässt, als ich auf dem Besitz der Ashtons ankam. Die Dusche nach dem Rugbyspiel hätte ich mir eigentlich sparen können. Normalerweise benötigte ich so etwas auch gar nicht, aber in Anbetracht der Lage, dass ich mit Schlamm regelrecht besudelt gewesen war, hatte ich dieses Mal das menschliche Ritual mitspielen müssen.
    Etwas entnervt verließ ich das Dickicht und huschte blitzschnell über die offene Fläche, damit ich unbemerkt blieb. Während ich mich den Stallungen näherte konzentrierte ich mich. Ich spitzte die Ohren. Es waren nur drei Geräusche auszumachen. Wassertropfen, die unerbittlich auf das Dach prasselten; Pferde, die sich unruhig in ihren Boxen bewegten; das gleichmäßige Atmen eines Menschen.
    Liz saß auf der Stalltür einer Pferdebox und streichelte behutsam den Kopf ihrer Schimmelstute. Ich betrat langsam trockenen Boden, doch sie schien meine Anwesenheit gar nicht zu bemerken. Allerdings wurden die Tiere nervös, je weiter ich auf sie zukam und sie

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