Abtruennig
überhaupt?
Liz hielt meinem Blick stand und ich sah, dass sie etwas sagen wollte.
„ Lesley, Schatz? Bist du im Stall?“
Erneut erklang die hohe Frauenstimme, und dieses Mal war sie näher.
Die Unschlüssigkeit in Liz Augen verriet mir, dass ich tatsächlich gar nicht hier sein sollte.
„ Bitte, entschuldige…“
Mit diesem Worten drehte ich mich schnell um und ich rannte in die andere Richtung. Weg von ihrem betörenden Duft, hinaus aufs offene Gelände. Ich schaute nicht mehr zurück. Der Regen prasselte auf mich nieder und in jenem Moment genoss ich die Tropfen auf meiner Haut. Sie sollten mich klarer sehen und vor allem denken lassen. Ich lief den gleichen Weg zurück, den ich gekommen war. Das Dickicht bot mir den nötigen Schutz und ich beschleunigte meine Schritte. Blitzartig war ich wieder an der Mauer und ich sprang hinüber, ohne mich ein letztes Mal umzusehen. Es war sowieso niemand in der Nähe und wenn doch, waren meine Bewegungen ohnehin viel zu schnell für das menschliche Auge. Als ich mein Auto wieder sah, brach eine Welle der Erleichterung auf mich ein und zugleich fühlte ich mich vollkommen leer. Stöhnend ließ ich mich gegen den BMW fallen. Wenn es einen Zeitpunkt gegeben hatte, in der meine innere Stimme hysterisch gewesen war, dann war es definitiv in diesem Moment. Sie schrillte in meinen Kopf umher, wie eine Alarmanlage. Das fürchterliche Geräusch hallte in meinen Ohren wider und ich wusste, dass ich dieses Mal Probleme haben würde, sie auf stumm zu schalten. Das Schlimme daran war eigentlich nur, dass sie natürlich von Anfang an richtig gelegen hatte. Es war der einzige Teil in meinem Körper der offensichtlich noch funktionierte und vernünftig denken konnte. Alle meine Sinne waren vollständig getrübt. Ich reagierte in jeder nur erdenklichen Weise auf Lesley. Zum einen fühlte ich mich schrecklich, wenn ich nicht in ihrer Nähe war, zum anderen musste ich mir endlich über die Konsequenzen bewusst werden. Ich war dabei, weitere Regeln gleichzeitig zu brechen und ich wusste noch nicht einmal wofür. Sie wusste schließlich nichts über mich und ich konnte ihr auch nicht so einfach offenbaren, wer oder was ich war. Was passierte nur mit mir? Was sollte ich nun tun? Lesley war mit Sicherheit genauso aufgewühlt wie ich. In dieser Sekunde hätte ich mich gern irgendjemand anvertraut, aber das war nicht möglich. Es gab nur zwei Vampire, mit denen ich offen sprechen konnte. Aber ich durfte Peter nicht zu viele Details verraten, das war zu gefährlich. Vincent würde mir zwar zuhören, doch ich war mir sicher, seine Antwort zu kennen und diese wäre endgültig.
Ich vergrub mein Gesicht frustriert in den Händen. Es lag ganz offensichtlich an mir. Obwohl mir meine Aktion von vorhin mehr als bescheuert vorkam, wollte ich sie nicht unbedingt aufgeben. Ich war immer noch der Meinung, dass mich nur eine wirkliche Abfuhr davor bewahren konnte zu weit zu gehen. Als ob das nicht sowieso schon längst der Fall war. Das alte Sprichwort, man begehrt immer das, was man nicht haben kann, traf wohl auch auf mich zu. Dennoch war ich der Überzeugung, dass ich sie auch noch wollen würde, selbst wenn ich ihr nahe sein durfte. Was niemals passieren wird!
Ich öffnete die Fahrertür und stieg ein. Ohne einen weiteren Augenblick zu zögern, startete ich den Wagen und ich fuhr die Hauptstraße entlang. Wenn Lesley morgen auf dem Unigelände auftauchen würde, dann würde ich ihr gegenübertreten. Ein letztes Mal.
Der BMW raste über die Straße, aber ich spürte kaum das waghalsige Tempo, was ich zunehmend erreichte. Die Tachonadel glitt unaufhaltsam nach rechts, doch der Wagen blieb in seiner Spur. Ich war mit Sicherheit nicht einer der besten Autofahrer, genau genommen besaß ich noch nicht einmal einen Führerschein. Wie hätte ich mich auch einem Fahrtest unterziehen können? Bei diesem Gedanken musste ich unwillkürlich lächeln. Ich könnte bei diesen Tests ganz neue Maßstäbe setzen. Meine Miene verdüsterte sich jedoch rasch wieder. Ich würde niemals mehr dazugehören. Es war nicht so, als wenn ich es bereute ein Vampir geworden zu sein. Ich war dankbar dafür, doch es gab eine Sache, die mir mittlerweile zusetzte. Ein dunkelhaariger Engel, dem ich vermutlich relativ egal war und das aus gutem Grund. Ich hatte sie wahrscheinlich mehr verängstigt als alles andere.
Mit einem ernüchterten Seufzer verringerte ich meine Geschwindigkeit ein wenig. Nicht, dass ich fürchten musste gegen
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