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Abtruennig

Abtruennig

Titel: Abtruennig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Dungs
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an sie, gab er ihr zu verstehen, uns allein zu lassen. Die hübsche Frau nickte nur und schloss die Tür hinter sich.
    „ Nicholas, meine Güte…wie lange mag es her sein?“ Vincent kam strahlend auf mich zu und er schloss mich väterlich in seine Arme.
    „ Länger als ein gewöhnliches Leben dauern mag“, antwortete ich grinsend.
    „ Das ist wahr.“ Er löste sich von mir und ging mit geschmeidigen Schritten zu der Sitzgruppe. „Bitte setz´ dich doch. Kann ich dir etwas anbieten? Bist du durstig?“
    Sein prüfender Blick entging mir nicht, aber ich verneinte nur und setzte mich auf eines der beiden Sofas. „Ein beeindruckendes Anwesen, doch ich habe nichts anderes von euch erwartet“, gab ich zu.
    Er nickte. „Du kennst meinen Hang zum Verschwenderischen.“ Er setzte sich mir gegenüber und lächelte freundlich. „Hast du neue Kontaktlinsen?“
    Ich nickte. „Ich dachte, die Farbe trifft es am besten.“
    „ Da hast du nicht unrecht“, er machte eine kurze Pause, ehe er fortfuhr. „Nun, Nicholas, was führt dich also zu mir? So sehr ich mich auch freue dich zu sehen, ich kann mir nicht vorstellen, dich ohne triftigen Grund zu sehen.“ Sein äußeres Erscheinungsbild hatte sich seit unserer letzten Begegnung kaum verändert. Sein Haar war noch immer rabenschwarz und wurde, wie so oft, in einem langen Zopf gebändigt, der auf seinem Rücken ruhte. Der teure Designeranzug saß makellos an seinem schlanken, aber durchtrainiert wirkenden Körper. Die Jahrhunderte schienen ihm nichts anhaben zu können.
    „ Wie immer liegst du richtig“, erwiderte ich. „Ich hatte allerdings erwartet, dass du schon Bescheid wüsstest? Ich dachte, deine Fähigkeiten gingen über die meinigen weit hinaus?!“
    Vincent lächelte breiter und lehnte sich entspannt in das weiche Leder zurück. „Sagen wir mal, ich habe eine gewisse Vorahnung, aber ich möchte es aus deinem Mund hören. Ich muss mir sicher sein, dass du tatsächlich verrückt geworden bist.“
    Es blieb mir nichts anderes übrig, ich musste ihm die Wahrheit sagen. Er würde, wenn überhaupt, mein einziger Verbündeter sein. „Ich glaube, du liegst auch in diesem Punkt richtig. Ich habe eine Bitte, die ich den Ältesten vorbringen werde, wenn sie mich anhören. Es geht um einen Menschen…“
    „ Ja, das habe ich befürchtet.“ Vincent stöhnte.
    „ Ich habe mich allen Ernstes verliebt, ist das zu fassen?!“ Ich sah Liz vor meinem inneren Auge und musste unweigerlich lächeln. „Ich bin bereit, die Regeln zu brechen, aber ich hoffe, dass es nicht nötig sein wird.“
    „ Wieso?“ Seine dunkelbraunen Augen musterten mich neugierig.
    „ Sie wird sterben.“
    „ Tun das nicht alle Sterblichen irgendwann…“, entgegnete er zynisch.
    „ Vincent, ich würde für sie mein Dasein aufgeben, aber auch das würde nichts an ihrer Krankheit ändern. Sie hat Krebs und ich weiß nicht, wie viel Zeit ihr noch bleibt.“
    Er zog seine dichten Augenbrauen zusammen. „Du kennst die Regeln, Nicholas!“ Sein Tonfall wurde bestimmender. „Wir sind daran gebunden und das weißt du.“
    Ich nickte und hob beschwichtigend die Hände. „Natürlich! Du weißt aber auch, dass ich mich all die Jahre daran gehalten habe. Ich werde es auch in Zukunft tun, zum Wohle unserer Art, aber in ihrem Fall-“
    Vincent schnitt mir das Wort ab. „Willst du tatsächlich für einen Menschen dein Volk verraten?“
    „ Nun, ich fürchte, das habe ich bereits getan.“ Jetzt war es raus, aber ich musste ehrlich zu ihm sein. Zum einen wusste er vermutlich sowieso schon mehr, als ich glaubte und zum anderen war er mein Freund. Es war wichtig, dass wir ehrlich zueinander waren. Nur so konnte ich auf seine Unterstützung hoffen.
    Er sah mich schweigend an, doch sein Blick barg Unverständnis.
    „ Bitte hilf mir“, lenkte ich ein. Ich wollte nicht, dass das Gespräch eine negative Wendung nahm.
    „ Du weißt, dass es nicht an mir liegt. Ich treffe diese Entscheidung nicht allein“, sagte er kühl.
    „ Ich weiß, aber du bist ein Teil des Ganzen. Wenn du auf meiner Seite bist, habe ich wenigstens einen Funken Hoffnung, dass sie mich zumindest anhören werden.“
    „ Nicholas, ich freue mich, dass du jemanden gefunden hast, glaub mir. Für das Mädchen tut es mir leid, doch es ist noch zu früh. Wie lange kennst du diese Frau überhaupt?“
    Genau genommen um die zehn Jahre. „Wochen, Tage…spielt das für unsereins überhaupt eine Rolle?“
    Er seufzte. „Du riskierst soviel für

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