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Abtruennig

Abtruennig

Titel: Abtruennig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Dungs
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mit einem Türspion, doch das war es scheinbar nicht. Für einen Menschen war der Netzhautscan, der von diesem Loch in der Wand ausging, gar nicht zu sehen. Feinste rote Laserstrahlen tasteten die unverkennbaren Punkte in Vincents Auge ab.
    „ Das nenne ich mal 21. Jahrhundert“, stellte ich beeindruckt fest.
    Ich erhielt nur ein breites Grinsen und während er einen Schritt beiseite trat, glitt die schmale Schiebetür vor uns beinahe vollkommen geräuschlos auf. „Bereit?“, fragte er.
    „ Nein, aber mir bleibt keine andere Wahl.“ Ich atmete einmal tief ein.
    Wir betraten langsam den fensterlosen und unbeleuchteten Raum, aber ich konnte sie bereits sehen. Die Ältesten saßen in einem Halbkreis vor uns, auf einer Art Podest. Nur ein Stuhl – man hätte es eher als Thron bezeichnen können – war frei und ich wusste, dass er für Vincent reserviert war. Er ging an mir vorbei und nahm dort Platz, ehe ich meinen Gedankengang zu Ende gebracht hatte. Ich kam mir vor wie ein Angeklagter, der auf die Urteilsverkündung wartete. Umringt von den unnachgiebigen Richtern. Es waren insgesamt neun und ihre Macht war unermesslich. Sie schlug mir in Wellen entgegen und ich fragte mich, ob es etwas geben konnte, was stärker war.
    Als sich die Tür hinter mir wieder zuschob, war es plötzlich finster im Raum. Es gab anscheinend nirgendwo eine Lichtquelle, doch das war auch nicht nötig. Meine Augen gewöhnten sich schnell an die Dunkelheit und ich konnte wieder alles um mich herum erkennen.
    „ Nicholas, tritt vor.“ Eine raue Männerstimme ertönte vor mir. Sie stammte vom wohl ältesten Mitglied in dieser Versammlung. Ich ging ein Stück nach vorn und blieb stehen, als er auf einmal seine blasse Hand hob. Der Vampir hatte beinahe weißes Haar, das ihm, in schweren Locken auf den Schultern lag. Düstere Augen blickten mich an und ich wollte gar nicht erst wissen, was sie wohl alles schon gesehen haben mussten.
    „ Vincent, dein Schöpfer und ein ehrenwertes Mitglied dieses Rats, hat uns gebeten dir Gehör zu schenken. Ein Privileg, das du nicht verschwenden solltest. Wähle deine Worte also mit Bedacht.“
    Wie auch die anderen Vampire in diesem Saal, hatte er schmale Gesichtszüge und ausgeprägte Wangenknochen. Eine Tatsache, die ihre Erscheinungen bedrohlich wirken ließ. Keiner der anderen Vampire rührte sich und als er nun ebenso schwieg, breitete sich eine unheimliche Stille aus. Ich sank auf meine Knie und starrte auf den Boden. Es war ein Zeichen des Respekts, das man den Ältesten entgegen bringen musste. Vincent hatte mich gelehrt, was nötig war, um mit diesem anderen Dasein fertig zu werden und er hatte seine Sache gut gemacht. Er war mein Mentor auf so viele verschiedene Arten gewesen und zugleich so wegweisend wie ein Vater. „Ich danke euch, für die Möglichkeit meine Bitte vorzutragen.“ Es folgte eine kurze Pause, um meiner Aussage mehr Gewicht zu verleihen. „Meine Aufgabe in England erfüllt mich mit Stolz und ich verwende die größte Aufmerksamkeit darauf, die Balance zu erhalten. In all den Jahren habe ich meine Pflichten gewissenhaft erfüllt und niemals irgendjemanden um etwas gebeten. Doch heute bin ich zu euch gekommen, um etwas zu erflehen, was ich vielleicht niemals verdienen werden, aber ich muss es dennoch tun.“ Für falschen Stolz, war an dieser Stelle kein Platz, das war mir wohl bewusst. Ich hatte nur eine winzige Chance und die wollte ich nutzen, so gut es mir möglich war.
    „ Nun, Nicholas. Vincent erzählte uns bereits, dass du einen Menschen begehrst, nicht wahr?“ Es war eine tiefe Stimme, aber ich wusste nicht von wem sie stammte. Mein Blick war noch immer auf den Boden gerichtet.
    „ Ja, Sir“, antwortete ich ergeben.
    „ Wir wissen auch, dass es eine Frau ist. Weiß sie bereits über uns Bescheid?“
    „ Nein, Sir. Ich wollte ihr nicht so viel zumuten, vor allem nicht, wenn ich nicht weiß, ob sie hoffen darf.“ Es war eine Lüge! Ich war mir sicher, dass Vincent nichts dergleichen erwähnt hatte. Lesley wäre in großer Gefahr, wenn die Ältesten darüber Bescheid wüssten. Das Risiko konnte ich unmöglich eingehen. Ich war mir allerdings nicht sicher, ob einer der mächtigen Vampire hinter meinen Täuschungsversuch kommen würde oder bereits wusste, dass ich schwindelte.
    „ Hoffen worauf?“ Eine andere Stimme ertönte. Sie wurde seltsam in die Höhe gezogen.
    Ich nahm meinen Mut zusammen. „Hoffen darauf, dass sie gerettet wird. Sie ist todkrank, Sir. Ich

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