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Abtruennig

Abtruennig

Titel: Abtruennig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Dungs
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Vampir, dass ich nicht zu spät kam.

18. Die Gabe

    Ich versuchte meine Augen zu öffnen oder hatte ich es bereits getan? Ein dumpfer Schmerz zog sich über meine rechte Schläfe bis hin zu meinem linken Auge. Ich spürte, dass ich blutete. Die Flüssigkeit tropfte mein Kinn hinunter. Plenk – plenk – plenk. Unter mir war der Boden hart, feucht und modrig. Waren es vielleicht Steine? Der Geruch um mich herum war jedenfalls beißend.
    Angestrengt versuchte ich zu erkennen, wo ich war. Doch da war nur Finsternis. Was zum Teufel war passiert? Noch nie zuvor hatte ich nicht sehen können. Die Dunkelheit ist unsere Verbündete. Vampire existieren im Dunkeln. Wir bewegen uns im Dunkeln. Wir jagen im Dunkeln.
    Ich konzentrierte mich, wollte meine Pupillen auf irgendetwas in dieser verdammten, schier endlosen Unendlichkeit fixieren, aber da war nichts. Rein gar nichts! War ich auf einmal blind geworden? Ich hatte das Gefühl zu sitzen, aber ich wusste nicht, ob ich gefesselt war. Meine Arme ruhten über meinem Kopf. Sie brannten wie Feuer, als ich sie beugen wollte. Auf halben Weg hielt ich inne. Ich riss mir die Haut auf, je weiter ich sie anwinkelte. Irgendetwas war an ihnen festgemacht worden. Stacheldraht? Es fühlte sich leichter an, aber der Schmerz, den dieser unsichtbare Gegenstand verursachte, machte mir deutlich, wie unsagbar scharf er war. Ich musste mich um alles in der Welt konzentrieren, um herauszufinden, was passiert war. Dann schoss mir plötzlich etwas in den Sinn.
    Lesley!
    Meine Güte, wo war sie? Ich wollte ihren Namen über meine Lippen bringen, doch meine Stimme versagte. Ich öffnete meinen trockenen Mund, aber nicht ein einziges Wort kam heraus, noch nicht einmal ein Laut. Wut keimte in mir auf. Ich wusste nicht, was geschehen war oder wo Liz steckte. Ich konnte ja noch nicht einmal sagen, was mit mir los war. Denk nach, Nicholas! In meinem Kopf schwirrten unzählige Gedanken, die ich überhaupt nicht ordnen konnte. Ich sah Peter vor meinem inneren Auge. Ich hatte ihn besiegt, aber nicht ausgelöscht, dass wusste ich jedenfalls. Ansonsten war mein Gedächtnis wie ausradiert. Erinnerungsfetzen die umher schwirrten, sich aber nicht greifen ließen. Heftige Kopfschmerzen setzten mir zu, sie hallten mir sogar in den Ohren wieder und sie machten es mir kaum möglich mich zu konzentrieren.
    Ich bemühte mich, in die vermeintliche Stille hinein zu lauschen. Nur das Geräusch meines Blutes war zu hören. Plenk – plenk. Gleichmäßig schlugen die Tropfen auf die Erde. War es eine Art Verließ? Wenn ja, wo waren dann die Ratten? Es gab immer Ratten. Womöglich war ich momentan eine zu große Gefahr für sie. Das verwundete Raubtier. Noch war ich zu stark, aber sie würden warten, denn ich würde schwächer werden.
    Ich versuchte meine Beine zu strecken, doch sie regten sich keinen Millimeter. Zumindest fühlte es sich so an. Hatte ich überhaupt noch welche? Mir war es nicht möglich nachzusehen und ich konnte sie nicht spüren. Das war hier sicherlich die Hölle. Endlich wurde ich für mein Dasein als Vampir bestraft. Es sollte mir gleich sein, wenn ich nur wusste, das Lesley wohlauf war.
    Dann fiel es mir schlagartig wieder ein.
    Vincent! Sie war in seiner Gewalt, wenn er sie wirklich…ich brach den Gedanken ab. Das durfte nicht sein. Ich spannte meinen Körper an, zumindest den Teil, der sich von mir bewegen ließ. Ich horchte auf irgendein Geräusch. Ein Zeichen. Eine innere Stimme. Bitte! Zeig´ mir, dass es dir gut geht, mein Engel.
    Aber es geschah nichts. Verzweiflung machte sich in mir breit. Ich musste nachdenken. Es gab sicherlich eine Erklärung dafür, dass mir so wenig in Erinnerung geblieben war. Ich kam mir vor wie ein psychisch Gestörter, der überhaupt keine Kontrolle mehr besaß. Weder über seinen Geist noch über seinen Körper. Wie sollte ich aus dieser absonderlichen Situation herauskommen, wenn ich noch nicht einmal wusste, wo ich war. Ich war auf dem Weg zurück nach Norwegen gewesen. Ich hatte vorgehabt Liz zu retten. War ich in Laukvik? Da ich nichts sah und auch nichts hören konnte, war es mehr als unsinnig sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Es war egal wo ich war, ich musste nur wissen, dass Lesley wohlauf war. Ich biss die Zähne so fest zusammen, dass es knirschte. Ich zog meine Arme zu mir nach unten und das Feuer verbrannte meine Haut. Sie riss auf und eine klebrige Flüssigkeit glitt langsam an meinem Unterarm hinab, bahnte sich unaufhörlich einen Weg bis zu

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