Abtruennig
Abscheuliche Gedanken von anderen Vampiren brannten sich in mein Hirn. Normalerweise war ich an so etwas gewöhnt. Durch das Blut meiner Opfer nahm ich manchmal kurzzeitig auch gewisse Eindrücke von ihnen in mich auf. Aber es war sonst anders. Es waren bei Peter so viele verschiedene Erlebnisse, ich hatte Mühe sie überhaupt unter Kontrolle zu bringen. Es widerte mich so sehr an, dass ich Peter schließlich frei geben musste. Voller Ekel, wich ich vor ihm zurück, aber er war keine Gefahr mehr für mich. Ich hatte ihm schon genug genommen. Sein geschwächter Körper sank schlaff zu Boden.
In meinem Kopf hämmerte es plötzlich und ich hatte das Gefühl, er würde gleich platzen. Ich versuchte alles in den hintersten Winkel zu drängen. Ich musste mich auf das einzige konzentrieren, was jetzt wirklich wichtig war.
Lesley!
„ Du…hast…keine…“, aus seinen unverständlichen Worten wurde ein Gurgeln. Das Blut füllte seine Lungen.
„ Die habe ich und ich werde sie nutzen.“ Ich wusste nicht, ob er mich noch hören konnte. Er hatte zuviel Blut verloren. Blut, das nun durch meinen Körper floss. Es würde die Verletzung heilen, die er mir zugefügt hatte und mich zugleich auch stärken. Mir stand schließlich noch eine Herausforderung bevor. Eine Konfrontation mit der ich niemals gerechnet hätte. Wie konnte ausgerechnet Vincent mich hintergehen? Wie sollte ich ihm gegenübertreten? Was sollte ich tun? Das Handy in meiner Hosentasche wog in diesem Moment mehrere Kilos, aber ich wollte ihn nicht anrufen. Vincent würde wahrscheinlich gesehen haben, was mit Peter geschehen war und er wusste sowieso, dass ich nun auf der Suche nach ihm war. Ich wollte einfach nicht glauben, dass er sie tatsächlich töten wollte. Ich konnte mir nicht vorstellen, was geschehen würde, wenn es schon zu spät war.
Reiß dich zusammen, Nicholas!
Entschlossen sprang ich aus einem der gläserlosen Fenster in die Tiefe. Ich holte aus meinem Auto den Reservekanister mit Benzin, den ich immer dabei hatte. Seine Bestimmung würde heute allerdings eine etwas andere werden, als gewöhnlich.
Peter lag noch immer zitternd am Boden, als ich wieder zurückkam. Er war nur noch halb bei Bewusstsein, während ich alles um ihn herum mit der hochentzündlichen Flüssigkeit begoss. Feuer war die wirksamste Methode, um einen Vampir auszulöschen. Doch das hatte ich nicht vor. Ich war kein Verräter, wenn man mal von der einzigen Sache absah, in der ich abtrünnig geworden war.
Ich ging durch den Raum und hob das Kurzschwert auf, das Peter im Kampf verloren hatte. Dann sprang ich zu ihm und schlang meine Arme um seine Brust. Ich warf seinen schwachen Körper über meine Schulter. Ich sah mich nicht mehr um, als ich ein brennendes Streichholz auf den Boden warf. Das Feuer breitete sich sofort aus. Ich konnte hören, wie es hungrig um sich griff.
Mit Peter auf meinem Rücken schnellte ich erneut nach draußen. Die Flammen züngelten, tanzten zuckend umher und waren gierig dabei, alles in Brand zu stecken, was ihnen in die Quere kam. Das alte Lagerhaus würde verbrennen, und mit ihm alle Geschehnisse, die sich dort noch vor ein paar Minuten abgespielt hatten.
Ich legte Peter draußen hinter einigen Büschen und Sträuchern auf der kalten Erde ab. Sein Zustand war nicht tödlich, er würde wieder zu Kräften kommen. Aus glasigen Augen starrte er mich an und ich wusste, dass er registrierte, was ich soeben getan hatte. Er wollte etwas sagen, aber ich kam ihm zuvor. „Nicht reden. Spar dir deine Energie. Ich weiß, dass du es schaffst. Du bist zäher als ich.“
„ W-wieso…?“, krächzte er mühsam.
„ Ich bin nicht so, wie diese Kreaturen, die wir jagen. Das unterscheidet mich von ihnen und auch von…dir.“ Ich ging zu meinem Wagen und öffnete die Tür. Bevor ich einstieg, wandte ich mich noch einmal zu ihm um. „Die Ewigkeit ist lang, mein Freund, aber wir werden uns nie wieder sehen, sonst werde ich zu einem dieser Monster!“
Er schloss die Augen und ich verließ meinen einstigen Verbündeten. Ich hoffte für immer.
Ich setzte meinen Weg fort und kannte nur noch ein Ziel. Meine Chance, tatsächlich gegen Vincent oder gegen einen der Ältesten zu bestehen, war gleich null. Egal wie viel Macht ich auch vielleicht besitzen mochte. Aber hatte ich eine Wahl? Mein Engel war in Gefahr und das war alles, an was ich in diesem Augenblick denken konnte. Erneut arbeitete die Zeit gegen mich.
Ich betete, zum ersten Mal, seit meinem Dasein als
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