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Abzocker

Abzocker

Titel: Abzocker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Block
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hatte recht – nur die Welt war die falsche. Wir brauchten einander, und wir brauchten das Geld. Falls es einen Weg gab, beides zu bekommen, wusste ich nicht, wo ich ihn finden sollte. Ich suchte ihn auf dem Grund des Glases, aber da war er nicht. Ich füllte das Glas aufs Neue und sparte mir diesmal das Eis. Der Whiskey schmeckte auch ohne Eis gut.
    Ich hatte das Heroin. Ich konnte es nach New York mitnehmen, dort meine alten Verbindungen wieder erneuern und es dann an den Höchstbietenden verkaufen. Vielleicht klappte es. Vielleicht würde das Geld ausreichen, um uns weit fort von L. Keith Brassard zu bringen. Vielleicht war es genug, um das Land zu verlassen – Südamerika oder Spanien oder die italienische Riviera. Wir konnten eine lange Zeit von dem Geld leben. Wir konnten ein Boot kaufen und darauf wohnen. Früher hatte ich einmal Segeln gelernt. Es gibt nichts Vergleichbares. Man fährt los mit dem Boot und verliert sich zwischen einer Million kleiner Inseln, irgendwo auf der Welt – Inseln, wo es immer warm, wo die Luft sauber und rein ist. Überall konnten wir hingehen.
    Doch wir durften niemals zurückkehren, uns niemals umdrehen.
    Denn wir konnten ihm nicht entkommen. Er war kein gewöhnlicher Ehemann, kein aufrechter Bürger aus Westchester mit Freunden, die wie er das Gesetz achteten. Jemand, der so viel Heroin bei sich trug, hatte andere Verbindungen. Die Nachricht würde sich schnell in den richtigen Kreisen verbreiten. Eine inoffizielle, aber nicht minder verlässliche Summe würde als Kopfgeld für einen bestimmten Mann und eine bestimmte Frau ausgeschrieben werden. Und irgendwann würde jemand irgendwo einen zweiten Blick auf uns werfen. Wir konnten davonlaufen, aber wir konnten uns nicht ewig verstecken.
    Lange konnten wir das nicht durchhalten. Zuerst würden wir uns noch mehr ineinander verlieben. Doch dann würden wir jeden Tag, immer, wenn wir allein waren, länger über die Männer nachdenken, die hinter uns her waren. Es würde nicht über Nacht geschehen – manchmal würden wir die Männer sogar vergessen können. Aber immer würde wieder etwas passieren, dass uns bewusst machte, dass sie uns immer noch verfolgten. Und wir würden wieder davonlaufen.
    Und dann würden sich die Dinge zwischen uns langsam verändern. Sie würde sich daran erinnern, dass sie einmal Mrs. L. Keith Brassard gewesen war und mit ihrem Hermelinmantel, ihrem Zobelmantel und ihrer Chinchillastola in Cheshire Point gelebt hatte, in dem großen, soliden Haus mit den schweren Möbeln und all den Kreditkarten. Sie würde sich daran erinnern, wie es war, wenn man keine Angst hatte, und sie würde feststellen, dass sie, ehe sie mich kennengelernt hatte, nie Angst gehabt hatte. Doch jetzt hatte sie immer Angst, und jeden Tag nahm die Angst zu. Von diesem Augenblick an würde sie beginnen, mich zu hassen.
    Und ich würde mich an ein unkompliziertes Leben erinnern, in dem ich einfach die Stadt verließ, wenn es Schwierigkeiten gab. Ein Leben, in dem die größte Bedrohung ein aufmerksamer Hotelmanager und das größte Problem die nächste Mahlzeit gewesen war. Ich würde ihren schönen Körper betrachten und dabei an den Tod denken, einen langsamen und unangenehmen Tod, weil seine Männer Experten für so etwas waren. Und dann würde auch ich sie zu hassen beginnen.
    Ich konnte nicht sie und das Geld haben; nicht auf diese Weise. Wieder leerte ich mein Glas, dachte darüber nach und kam nicht weiter. Es musste einen Weg geben, doch ich sah keinen.
    Die Flasche war halb leer, als mir die Lösung einfiel. Es war der einzige Weg. Ein anderer wäre vielleicht eher daraufgekommen, doch mein Gehirn bewegt sich in ganz bestimmten Bahnen, und das hier war unbekanntes Terrain für mich. Deshalb brauchte ich eine halbe Flasche Jack Daniels, bis mir der Gedanke kam.
    Brassard konnte sterben.
    Allein schon die Vorstellung jagte mir eine panische Angst ein, und ich kippte in rascher Folge noch zwei Drinks, zog mich aus und ging ins Bett. Ich schlief fast augenblicklich ein. Vielleicht war der Alkohol daran schuld. Ich weiß es nicht. Vielleicht schlief ich ein, weil ich Angst hatte, wach zu bleiben.
     
    Ich träumte, aber es war einer jener Träume, die man sofort vergisst, wenn man aufwacht. Das Klopfen an der Tür weckte mich, und der Traum entglitt mir. Ich öffnete langsam die Augen. Ich hatte keinen Kater und fühlte mich wohl. Das heißt, mit ein paar Stunden mehr Schlaf hätte ich mich wirklich gut gefühlt.
    Wieder klopfte

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