Abzocker
du mir nicht?«
Ich musste lachen. »Dir vertrauen? Wenn ich das nicht täte, wäre das alles sinnlos. Natürlich vertraue ich dir.«
»Dann sag es mir.«
»Das kann ich nicht.«
»Warum nicht?«
Zum Teil, weil ich es selbst nicht wusste. Aber das wollte ich ihr nicht sagen. Es gab noch einen Grund, und der musste ihr für den Augenblick genügen. »Die Polizei wird dich befragen«, sagte ich zu ihr. »Über alles und jeden, immer und immer wieder. Du hast Geld, gehörst zu einer guten Familie, bist eine wichtige Person – also werden sie kein grelles Licht und keine Gummischläuche einsetzen. Nicht die klassenbewusste Polizei von Westchester. Trotzdem ist er ein reicher, alter Mann, und du bist eine hübsche Frau. Also werden sie dich verdächtigen.«
»Ich werde ein Alibi haben.«
»Was du nicht sagst.« Ich holte mir noch eine Zigarette und steckte sie an. »Natürlich wirst du ein Alibi haben. Davon werden die Bullen von Anfang an ausgehen. Sie werden denken, es ist die ganz normale Nummer: Geliebter der Frau tötet reichen Ehemann. So eine Geschichte kann man fast jeden Tag auf Seite drei in der Daily News lesen. Sie werden ganz ruhig sein und höflich, ganz wie es der Knigge verlangt. Aber sie werden auf der Hut sein. Je mehr Fragen du ehrlich mit ›Ich weiß nicht‹ beantworten kannst, desto besser für uns beide. Je weniger du weißt, desto leichter kannst du diese Antwort geben. Also sag ich dir so wenig wie möglich.«
Sie schwieg. Sie sah mich nicht an, sondern starrte auf die Wand; wenigstens sah es so aus. Aber ich hatte das Gefühl, dass sie auch die Wand nicht sah, sondern durch sie hindurchblickte, hinaus ins Leere.
Ich fragte mich, was sie dort wohl sehen mochte.
»Joe«, sagte sie.
Ich wartete.
»Ich mache mir Sorgen. Ich habe versucht, vorher nicht daran zu denken. Aber du hast recht: Fast jeden Tag steht so etwas auf Seite drei in der Daily News. Sie werden mich verhören.«
»Natürlich werden sie das.«
»Und wenn ich beim Verhör zusammenbreche und rede?«
»Red keinen Blödsinn.«
»Vielleicht …«
Ich sah sie an. Sie zitterte. Es war kein gewöhnliches Zittern, aber ich sah es deutlich. Ich nahm sie in die Arme und massierte ihr den Nacken. Ich drückte sie an mich und streichelte sie, bis ich spürte, dass sie sich entspannte. Dann küsste ich sie und ließ sie los.
»Mach dir keine Sorgen, Mona.«
»Ist schon wieder in Ordnung. Ich habe nur …«
»Ich weiß. Aber mach dir keine Sorgen. Sie werden dich nicht besonders hart rannehmen. Du weißt überhaupt nichts, vergiss das nicht. Du erzählst ihnen genau das, was du mir erzählst hast, als wir uns zum ersten Mal getroffen haben. Du weißt nicht genau, was Keith für Geschäfte macht. Soweit du das beurteilen kannst, hat er keine Feinde. Du kannst dir einfach nicht vorstellen, warum jemand ihn hatte töten wollen. Du begreifst das alles nicht. Er war dein Mann, und du hast ihn geliebt. Übertreibe die Sache mit der Trauer nicht, aber reagiere ganz normal. Wahrscheinlich wird es dir wirklich ein wenig leid tun, wenn alles vorüber ist, weißt du? Das ist eine ganz normale menschliche Reaktion. Zeige sie ruhig, aber übertreibe nicht.«
Sie nickte.
»Bleib ruhig«, sagte ich. »Das ist das Wichtigste.«
»Wann?«
Ich sah sie an.
»Wann wirst du es tun?«
»Ich weiß nicht.«
»Du weißt es nicht, oder willst du es mir nicht sagen?«
Ich zuckte die Schultern. »Ein bisschen von beidem. Wahrscheinlich diese Woche. Wahrscheinlich an einem der Tage, wenn er zur Arbeit fährt.«
»In seinem Büro?«
»Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Geh nicht aus dem Haus, bis er auf dem Weg zur Arbeit ist. Verstanden?«
Sie nickte.
»Habt ihr ein Dienstmädchen oder so etwas?«
»Zwei Dienstmädchen. Warum?«
»Ich wollte es nur wissen. Bleib mit ihnen im Haus, wenn er losfährt zur Arbeit. Ist das klar?«
Ein Nicken.
»Und mach dir keine Sorgen. Das ist das Wichtigste. Wenn du ruhig bleibst, brauchst du dir um nichts in der Welt Sorgen zu machen.«
Ich drückte die Zigarette aus wie ein Insekt und dachte nach. Jetzt funktionierte mein Verstand, und die Dinge nahmen Gestalt an. Aus mir wurde eine Maschine, und das machte alles viel einfacher. Maschinen schwitzen nicht. Man legt einen Schalter um, bedient einen Hebel, und die Maschine tut das, wofür sie gebaut ist. Die Maschine namens Joe Marlin dachte jetzt nach. Mein Verstand arbeitete wie eine tickende Uhr.
»Was wir danach machen«, sagte ich, »darauf kommt es an.
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