Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abzocker

Abzocker

Titel: Abzocker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Block
Vom Netzwerk:
ich es beinahe mit der Angst bekam. Sie sah mich an, und der Schatten eines Lächelns huschte über ihr Gesicht. Dann ging sie an mir vorbei, ließ sich einen Vierteldollar in Fünfcentstücke wechseln und investierte die Münzen in Kaffee und einen Donut mit Zuckerguss. Eine Weile stand sie mit dem Tablett in der Hand herum und suchte sich einen Platz. Schließlich kam sie zu meinem Tisch, stellte das Tablett ab und setzte sich.
    »Das macht wirklich Spaß«, sagte sie. »Diese Mantel-und-Degen-Spielchen, meine ich. Ich übertreibe es vielleicht ein bisschen.«
    Ich hatte ihr so viel zu sagen und wusste nicht, wo ich anfangen sollte. Ich steckte mir eine Zigarette zum Kaffee an und begann einfach mittendrin. »War es schwer, hierher zu kommen?«
    »Nein, ganz und gar nicht. Ich bin mit Keith im Zug gefahren. Ich habe ihm gesagt, ich wolle einkaufen. Erinnere mich daran, dass ich ein paar Dinge kaufe. Vielleicht ein Paar Schuhe oder so. Irgendetwas eben.«
    »Es muss schön sein, wenn man Geld hat.«
    Ich sagte das nur so dahin, vielleicht war es ein Fehler gewesen. Sie sah mich an, und in ihren Augen standen viele Dinge, die man nicht in Worte fassen kann. Natürlich war es schön, Geld zu haben. Es war auch schön, verliebt zu sein. Viele Dinge waren schön.
    »Joe …«
    »Ja?«
    »Ich habe mir überlegt, dass wir ihn vielleicht gar nicht umbringen müssen.«
    »Nicht so laut!«
    »Niemand achtet auf mich. Hör zu, ich habe mir etwas anderes überlegt. Wenn es klappt, brauchen wir ihn nicht zu töten.«
    »Tut er dir schon leid?«
    »Nicht leid«, sagte sie.
    »Was dann?«
    »Vielleicht bekomme ich Angst. In New York bringen sie Mörder auf den elektrischen Stuhl. Ich … ich will nicht auf dem elektrischen Stuhl sterben.«
    »Zuerst musst du verurteilt werden.«
    Ihre Augen blitzten. »Du klingst, als würdest du ihn wirklich hassen«, sagte sie. »Du klingst, als wäre es dir wichtiger, ihn zu töten, als dass wir nicht geschnappt werden.«
    »Und du klingst, als würdest du am liebsten einen Rückzieher machen. Vielleicht willst du das ja. Vielleicht vergessen wir die ganze Sache einfach. Du gehst deiner Wege, und ich gehe meiner Wege. Kauf dir doch so viele Schuhe, wie du willst. Und noch ein paar Pelzmäntel. Und …«
    Ein Mann nahm an unserem Tisch Platz; ein alter Mann, dem die Zeit den Lebenswillen genommen hatte. Der Kragen seines sauberen weißen Hemds war abgewetzt, und es waren Flecken auf seiner breiten, gepunkteten Krawatte. Er schüttete andächtig Milch über seine Cornflakes und gab noch zwei Esslöffel Zucker dazu, während wir ihm mit offenem Mund zusahen.
    »Gehen wir«, sagte ich. »Komm.«
    In Manhattan gibt es immer irgendwo eine Bar gleich um die Ecke, egal wo man sich befindet. Es gab auch hier eine gleich um die Ecke, und dorthin gingen wir. Wir setzten uns in die hinterste der drei leeren Nischen. Ich hatte keinen Drink gewollt, aber jetzt brauchte ich einen. Ich ließ mir Bourbon und Eis bringen und sie sich einen Screwdriver.
    »Also?«
    »Du siehst das alles ganz falsch«, sagte sie. »Ich will mich nicht drücken. Für dich ist es ja nicht schwer, den Heiligen zu spielen. Du musst ja nicht mit ihm zusammenleben. Du brauchst nicht …«
    »Komm zur Sache.«
    Sie nahm einen Schluck von ihrem Drink und atmete tief ein. »Das Heroin«, sagte sie. »Hast du es noch?«
    Ich nickte.
    »Wir könnten es nutzen«, sagte sie.
    »Es verkaufen und abhauen?« Ich setzte an, um ihr noch einmal zu erklären, warum das nicht klappen würde, aber sie ließ mich nicht ausreden.
    »Wir könnten es ihm unterschieben«, sagte sie. »In seinem Wagen, im Haus oder irgendwo. Dann rufst du oder ich anonym die Polizei an und geben ihnen den Tipp. Wenn sie alles durchsuchen, finden sie das Heroin und verhaften ihn.«
    Irgendwo in meinem Kopf schlug eine Alarmglocke, doch ich achtete nicht darauf. »Einfach so?«, fragte ich. »Es ihm unterschieben, den Bullen einen Tipp geben und deinen Mann in den Knast schicken?«
    »Warum nicht?«
    »Weil es so nicht klappen kann.«
    Sie sah mich an.
    »Lass uns doch überlegen, was passieren würde, Mona. Die Polizei würde auf den Tipp reagieren und das Heroin finden. Dann fragen sie, wie es dorthin gekommen ist, und er wird sagen, dass er nicht die leiseste Ahnung hat. Richtig?«
    Sie nickte.
    »Also nehmen sie ihn fest und lochen ihn ein«, fuhr ich fort. »Man stellt ihn wegen unerlaubten Rauschgiftbesitzes unter Anklage. In zehn Minuten eist ihn ein teurer Anwalt mit

Weitere Kostenlose Bücher