Abzocker
Wenn alles klappt, werden sie dich nicht besonders in die Mangel nehmen. Aber sie werden sich an dich erinnern. Sie werden den Mord ungelöst zu den Akten legen und den Fall offenlassen. Ich kann nicht, kaum dass er unter der Erde liegt, bei dir einziehen. Das wäre viel zu gefährlich.«
Sie schien wieder zu zittern.
»Der Skandal wird dir zu schaffen machen«, sagte ich. »Du bleibst eine Weile zu Hause, und dann gehst du zu einem Immobilienmakler. Du möchtest nicht mehr in Cheshire Point wohnen. Die Erinnerungen machen dir zu schaffen. Du fühlst dich dort nicht mehr wohl. Du möchtest weggehen und für eine Weile allein sein. Später wirst du dir dann überlegen, ob du ein anderes Haus kaufst.«
»Es ist ein schönes Haus …«
»Hör mir einfach zu, okay? Du sagst ihm, er soll das Haus mit dem ganzen Mobiliar verkaufen. Tu nicht so, als ginge es dir um das Geld. Es wird genügend Geld da sein. Sag ihm, er soll eine Anzeige für das Haus aufgeben und dafür verlangen, was er für angemessen hält. Sag ihm, es hätte keine Eile, und er soll den Preis nach seinem eigenen Gutdünken festlegen. Dann buchst du in einem Reisebüro einen Flug nach Miami.«
»Miami?«
»Ja. Du fliegst etwa eine Woche nach dem Mord nach Miami. Vielleicht nach zehn Tagen. Du wirst sehr viel Geld haben – die Lebensversicherung, Geld von seinen Sparkonten. Du fliegst erster Klasse und quartierst dich im Eden Roc ein. Du bist eine Witwe, deren Mann auf schreckliche Weise zu Tode gekommen ist. Du willst es vergessen.«
»Ich verstehe.«
Ich steckte mir noch eine Zigarette an und sah, wie es in ihrem Kopf arbeitete. Sie war nicht dumm. Sie würde sich alles merken, was ich ihr sagte. Das war gut so. Denn wenn sie etwas vergaß, konnte es unangenehm für uns werden.
»Ich komme auch nach Miami Beach«, sagte ich. »Ich nehme mir ein Zimmer im Eden Roc. Denn gleich nach der Tat mache ich, dass ich wegkomme aus New York. Ich fahre nach Cleveland oder Chicago oder irgendwo sonst hin. Eine Woche später fliege ich nach Miami. Wir werden zwei Fremde sein, die zufällig im selben Hotel wohnen. Wir kennen einander nicht, sind an unterschiedlichen Tagen eingetroffen, kommen nicht einmal aus demselben Ort. Wir lernen uns kennen und freunden uns langsam an. Aus einer netten Bekanntschaft wird an solchen Urlaubsorten schnell mehr – und niemand dort macht sich groß Gedanken darüber. Wir unterhalten uns, verabreden uns, verlieben uns. Nichts wird uns mit Keith oder New York oder der Zeit vor Miami Beach in Verbindung bringen.«
»Ein neuer Anfang.«
»Du hast es erfasst. Und von da an tun wir, was wir wollen. Vielleicht reisen wir. Eine Weltreise. Europa, die Riviera, die ganze Tour. Wir werden zusammen sein, eine Welt voller Geld und das Leben vor uns, und wir können alles genießen.«
»Das klingt gut.«
»Das ist auch so gut, wie es klingt«, sagte die Maschine. »Und jetzt wiederhole genau, was ich dir gesagt habe.«
Ein Tonbandgerät hätte es nicht besser wiedergeben können. Ich hörte mir alles an, sprach ein oder zwei Einzelheiten noch einmal mit ihr durch. Dann sagte ich ihr, sie solle jetzt gehen. Wir standen auf und zogen uns an. Ich sah ihr zu, wie sie das unschuldige Kleid überstreifte, und hatte gute Lust, es ihr wieder herunterzureißen. Doch dafür war später noch Zeit. Viel Zeit.
Ich richtete gerade meine Krawatte, als ich sie lachen hörte. Ich drehte mich um und sah sie an. Sie war vollständig angezogen und stand neben mir. Ich musterte sie. Sie hatte sich das Haar gekämmt.
Sie blickte auf meine Füße.
»Was ist denn so komisch?«
Sie lachte immer noch. Ich blickte an mir hinunter und verstand nicht, was sie so belustigte. Meine Socken passten zueinander. Ich trug gute braune Lederschuhe, die ich erst gestern oder so hatte polieren lassen.
Sie sah auf und versuchte, ihr Lachen unter Kontrolle zu bringen. Ich fragte sie noch einmal, und sie kicherte.
»Die Schuhe«, sagte sie. »Du trägst seine Schuhe. Er lebt noch, und schon trägst du seine Schuhe.«
Ich sah die Schuhe an und dann sie. Sie hatte natürlich recht. Es waren seine Schuhe aus dem Koffer. Sie passten ausgezeichnet, und ich hatte keinen Grund, sie wegzuwerfen. Ich stand ein wenig unsicher da und wusste nicht recht, wie ich reagieren sollte. Dann fing ich auch zu lachen an. Auf eine Art war es witzig. Wir lachten, bis es nicht mehr witzig war, und dann ging ich mit ihr zur Tür.
»Du wirst Geld brauchen«, sagte sie.
»Ja,
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