Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abzocker

Abzocker

Titel: Abzocker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Block
Vom Netzwerk:
Levittown aussehen. Ich fuhr herum zwischen den hektargroßen Anwesen mit Villen, die riesig groß waren und förmlich nach Geld stanken. Die Straßen waren sehr breit und ausgesprochen ruhig. Die Bäume an den Straßenrändern waren hoch gewachsen und wirkten sehr feierlich. Es war ein Vorort, gegründet von New Yorker Exilanten, denen bei ihrer Flucht nur ihr Geld geblieben war. An der Oberfläche war es ein extrem künstlicher Ort, weshalb es mir schwer fiel, mich zurechtzufinden. Der Straßenplan war ziemlich unsinnig. Straßen verzweigten sich grundlos hierhin und dorthin, offenbar nur, weil sie Spaß daran hatten. An was man sich hier orientieren sollte, war mir schleierhaft.
    Nach einigem Suchen fand ich schließlich den Roscommon Drive. Die Straße war breiter als die meisten, und in der Mitte verlief ein über zwei Meter breiter Grünstreifen mit Gras, Blumen und Sträuchern. Ich suchte nach Hausnummern, fand heraus, wo ich war, und fuhr weiter, bis ich Brassards Haus entdeckte. Es war in einem Stil gebaut, den man, meine ich, Georgianischen Kolonialstil nennt, hauptsächlich Stein, abgesetzt mit weiß gestrichenem Holz. Zum Haus hoch führte eine frisch gemähte, grüne Rasenfläche. Eine große Ulme stand mittendrauf. Sehr eindrucksvoll.
    Ich hatte mir das Haus zwar vorgestellt, aber ich hatte es nie wirklich gesehen. Sein Anblick blieb nicht ohne Wirkung auf mich. Sanft schob ich das Bild von L. Keith Brassard, König des Drogenhandels, beiseite. Es wurde ersetzt durch die Illusion vollkommen anständiger Achtbarkeit. Ich sah den abfallenden Rasen und die große alte Ulme, dann erinnerte ich mich an den netten alten Mann, der im Rollstuhl über die Promenade rollte, neben sich seine hübsche, junge Braut. Nur ein Teufel konnte diesen Mann töten. L. Keith Brassard, die Säule von Cheshire Point, zu ermorden, war ein gemeines, verachtenswertes Verbrechen.
    Ich musste mich körperlich schütteln, um die Illusion aus dem Kopf zu bekommen. Es kostete mich viel Kraft, mir wieder klar zu machen, dass der Mann alles andere als ein netter, alter Mann war. Das schöne, alte Haus wurde mit entzündeten Einstichstellen und vernarbten Venen zusammengehalten. Die hübsche, junge Braut war die Frau, die ich liebte. Er war ein verkommener, alter Gauner, den ich aus der Welt schaffen würde. Ich sagte mir, was ich mir schon Hunderte Male gesagt hatte – dass es richtig und angemessen war, ihn umzulegen, dass die Tatsache, dass er ein verkommener, alter Gauner war, die Tat rechtfertigte.
    Das alles war schwer zu glauben, wenn ich mir das Haus ansah. Nicht der luxuriöse Stil – erfolgreiche Verbrecher leben oft wie Könige im Gegensatz zu wirklichen Königen. Doch dieser Eindruck, so voller Ehrbarkeit …
    Ich schüttelte mich noch einmal, noch heftiger. Ich musste den Bahnhof finden. Mona hatte berichtet, dass er jeden Morgen zu Fuß zum Bahnhof ging und den Wagen für sie zurückließ. Der Bahnhof musste also in der Nähe liegen, und ich musste herausfinden, wo. Und ich musste in Erfahrung bringen, wie man schnell dort hinkam. Das war wichtig für den Plan.
    Der Ford fand den Bahnhof, mit meinem Ortssinn hatte das wenig zu tun. Der Wagen bog in eine Seitenstraße nach der anderen, bis er schließlich auf den üblichen braunen Ziegelbau mit den Gleisen dahinter stieß. Dann bewies er sein wunderbares Gedächtnis, indem er den Weg zum Roscommon Drive zurückfuhr, und wir überschlugen die Entfernung und rechneten aus, wie lange es dauerte, auf kürzestem Weg vom Haus zum Bahnhof zu gelangen. Es waren etwa sieben Minuten.
    Es war immer noch zu früh. Ich überlegte, ob ich vor dem Haus der Brassards parken und auf ihn warten sollte. Ich stellte mir vor, wie Brassard zum Fenster hinaussah, mich entdeckte und mich mit seiner eigenen Waffe vertreiben wollte. Dann schaute ich mich nach einem Café um.
    Ich fand eins. Es hatte einen Parkplatz, und ich stellte den Ford dort ab, zog die Handschuhe aus und schob sie in die Tasche. Der Kaffee war heiß, schwarz und stark.
    Genau, was ich brauchte.
     
    Später zog ich die Handschuhe wieder an, öffnete die Tür und klemmte mich erneut hinters Steuer. Falls mich jemand beobachtete, musste mein Verhalten sehr eigenartig wirken. Wie oft sieht man schon einen Mann, der sich Gummihandschuhe überstreift, ehe er in seinen Wagen steigt. Aber es war niemand da, und so ließ ich den Wagen an und fuhr zurück zum Roscommon Drive, Es war inzwischen etwa halb neun. Jetzt saß er vermutlich

Weitere Kostenlose Bücher