Abzocker
zusammengefaltetes gelbes Blatt Papier. Ich zeigte ihm, dass ich ebenso höflich wie er sein konnte, und steckte das Blatt, ohne es anzusehen, in die Tasche.
»Und ein Brief«, fügte er hinzu. Er reichte ihn mir. Wahrscheinlich aus einem Reflex heraus steckte ich auch ihn in die Tasche, ohne ihn anzusehen. Es fiel mir nicht leicht.
»Vielen Dank«, sagte ich.
»Wissen Sie, wie lange Sie bei uns bleiben werden?« Ich schüttelte den Kopf. »Schwer zu sagen«, meinte ich. »Nett haben Sie’s hier. Ich fühle mich sehr wohl.«
Er strahlte.
»Noch ein paar Tage«, sagte ich. »Vielleicht eine Woche. Können sogar zwei Wochen werden. Es kann aber auch sein, dass ich schnell abreisen muss. Schwer zu sagen.«
Er hörte nicht auf zu lächeln. Mir kam es unhöflich vor, mitten in einem so netten Lächeln wegzugehen, aber er wandte sich nicht ab, sodass ich keine andere Wahl hatte. Ich ließ ihn mir durch die ganze Lobby nachlächeln, während ich schon im Lift nach oben fuhr.
Zuerst die Rechnung. Sie war nicht ohne, die Summe jagte mir einen Schrecken ein. Eindrucksvolle 443,25 Dollar. Mehr als ich gedacht hatte. Zu viele Nächte, zu viel gutes Essen, zu viel Alkohol. Ich besaß keine 443,25 Dollar mehr.
Ich falte das gelbe Papier wieder exakt so, wie der Angestellte es mir überreicht hatte, und schob es in die Brieftasche. Dann nahm ich den Brief und sah ihn mir von allen Seiten an wie ein Kind, das den Inhalt eines Geburtstagspaketes erraten will. Er war dick. Kein Absender.
Ich öffnete ihn.
Es war ein Blatt weißes Papier darin, doch das war nur die Verpackung. Darin lag Geld.
Geld.
Hundertdollarscheine.
Ich zählte sie, wobei mir die Hotelrechnung mit einem Mal vollkommen unwichtig erschien. Es waren dreißig druckfrische Hunderter. Dreißig Einhundertdollarscheine. Dreißig mal einhundert Dollar. Dreitausend Dollar.
Das war eine Menge Geld.
Eine Welle der Erleichterung durchströmte mich, weil ich wusste, dass ich mir keine Sorgen machen musste. Mona hatte mich nicht vergessen. Sie hatte keine Probleme, an ihr Erbe heranzukommen, nicht wenn sie mir drei Riesen in bar schicken konnte.
Es gab keine Probleme.
Ich nahm das Geld. Es war mehr als nur Hundertdollarscheine. Es war ein Symbol. Es bedeutete, dass alles vollkommen in Ordnung war, dass ich mir keine Sorgen machen musste, dass alles lief wie geplant. Gott war in seinem Himmel, und hier auf der Welt war alles gut. Es war ihre Art und Weise, mir das zu sagen – zugleich eine Entschuldigung für ihre Verspätung und ein Versprechen, dass sie bald eintreffen würde. Bei dem Gedanken an sie wurde mir am ganzen Körper warm. Bald, dachte ich. Sehr bald. Sehr, sehr bald.
Sie war aufgehalten worden. So etwas passiert. Sie konnte keinen Brief, Telefonanruf oder Telegramm riskieren. Sie hatte mir vertraut, dass ich auf sie warten würde, und mit dem Geld wollte sie mir zu verstehen geben, dass alles in Ordnung war. Ich kam mir plötzlich wie ein Verräter vor, wegen all der Gedanken, die ich mir gemacht hatte. Das war gemein von mir gewesen.
Aber ich würde es wieder gut machen.
Sie war noch in New York. Aber bald, sehr bald würde sie unterwegs nach Miami sein.
Vielleicht schon morgen.
Aber eins nach dem andern. Ich zog mir die Badehose an, warf mir mein Handtuch über die Schultern und nahm die obersten sechs Scheine von dem Stapel. Den Rest steckte ich in meine Brieftasche und steckte sie in die oberste Schublade der Kommode. Ich sah mich nach dem Papierkorb um, überlegte es mir dann aber anders und legte auch den Umschlag in die Schublade.
In Miami Beach kann man in Badesachen mit dem Lift in die Lobby fahren. Formell wird es in dieser Stadt nur dann, wenn es ums Bezahlen geht. Und das erledigte ich jetzt.
Der Angestellte hatte noch immer dasselbe Lächeln im Gesicht.
»Am besten erledige ich das gleich«, sagte ich und schob ihm fünfhundert Dollar über die Rezeption.
»Behalten Sie das, was übrig bleibt«, sagte ich und fühlte mich reicher als Gott. »Schreiben Sie es auf mein Konto. Diese Hose hat nur eine Tasche, und da geht nicht viel rein.«
Ich ging durch die Lobby zum Strandeingang und kam mir zwei Meter groß und zwei Meter breit vor. Es war ein strahlender Sonnentag wie aus dem Bilderbuch, und heute konnte ich ihn auch genießen. Ich legte mein Handtuch auf einen freien Platz und rannte dann direkt ins Meer. Die Wellen waren heute höher, und ich ließ mich mitten hineinfallen. Das Gefühl war großartig.
Ein intensiv
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