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Abzocker

Abzocker

Titel: Abzocker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Block
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fielen das Gesicht, der Knall und die fünf Kugeln ein. Mir wurde klar, dass ich sie nicht töten würde.
    Ich war mir sicher, dass ich nicht noch einmal einen Menschen töten konnte. Der Gedanke kam mir, und ich akzeptierte ihn sofort, als wäre er unumstößlich. Erst später fragte ich mich, warum das so war. Brassard zu töten, war nicht schwierig oder beängstigend oder gar gefährlich gewesen. Aber ich tötete nicht gern. Vielleicht war das kein besonders logischer Grund, aber das war mir gleichgültig. Ich wusste, dass es die Wahrheit war. Das war alles, worauf es ankam.
    Ich würde sie nicht töten. Weil ich nicht töten wollte, aber auch, weil sich dadurch mein Problem nicht lösen ließ. Ich würde ein sinnloses Risiko eingehen, nur um mich zu rächen. Ich würde meine Rache bekommen, aber nicht das Geld und nicht Mona.
    Und das Geld wollte ich immer noch. Und die Frau auch. Fragen Sie mich nicht warum.
    »Haben Sie Feuer?«
    Ich hatte Feuer. Ich drehte mich um und sah das Mädchen an, das Feuer haben wollte. Brünett, Mitte zwanzig, ein modisches schwarzes Kleid, eine gute Figur. Dunkelroter Lippenstift, eine Zigarette, die von den Lippen hing und darauf wartete, angesteckt zu werden. Dieses Mädchen wollte nicht nur Feuer.
    Ich hielt ein Streichholz an ihre Zigarette. Sie war gelassen und ruhig, aber nicht besonders subtil. Sie beugte sich vor, als ich ihr das Streichholz hinhielt, damit ich ihre großen Brüste sehen konnte, die in einen schwarzen Spitzen-BH gezwängt waren. Als Eva sich zum ersten Mal Kleider anzog und den Garten Eden verließ, hat sie diesen Trick gelernt. Seitdem sind noch immer alle Männer darauf hereingefallen.
    Ich erinnerte mich an die Hure im Cleveland und den Fetzen aus dem Gedicht über Mandalay. In Gedanken schrieb ich die Zeile um. I’ve a richer, bitchier maiden in a funny money land. Mona war reich und eine Schlampe und in Las Vegas. Keine große Poesie, aber zutreffend.
    Dass angeblich eine ehrlichere, süßere Frau irgendwo wartete, war ein leerer Traum. Das Mädchen auf dem Hocker neben mir war hübsch. Ich brauchte nicht länger so zu tun, als wäre ich ein Priester.
    Ich erwiderte ihr Lächeln. Ich winkte dem Barkeeper und deutete auf ihr leeres Glas. Er füllte es.
    »Danke«, sagte sie.
    Die Unterhaltung ließ sich leicht an, weil hauptsächlich sie redete. Sie hieß Nan Hickman. Sie tippte für eine Versicherungsgesellschaft in New York.
    Sie hatten zwei Wochen Ferien. Die übrigen Tippsen nutzten ihre zwei Wochen dazu, um sich in den Catskills einen Mann fürs Leben zu schnappen. Sie mochte die Catskills nicht, und sie wollte auch keinen Mann fürs Leben. Sie wollte sich amüsieren, aber bis jetzt hatte sie noch nicht sehr viel Gelegenheit dazu gehabt.
    Sie war reizend und warmherzig und ehrlich. Und sie hatte Stil. Sie wollte sich amüsieren. In zwei Wochen fuhr sie wieder in die Bronx zurück zu ihrer Schreibmaschine. Dort überwachte ihre Mutter, mit wem sie ausging und wann sie abends heimkam. Ihre Tanten suchten schon einen Ehemann für sie aus. Sie hatte nur diese zwei Wochen.
    Ich legte die Hand auf ihren Arm. Ich sah sie an, und sie blickte nicht weg.
    »Gehen wir hoch«, sagte sie. »Lass uns miteinander schlafen.«
    Ich legte Geld für die Getränke auf die Theke. Wir gingen hoch in ihr Zimmer und wir liebten uns. Wir liebten uns sehr langsam, sehr sanft, mit großer Leidenschaft. Sie hatte etwas mit Rum getrunken, und ihr Mund schmeckte warm und süß.
    Sie hatte einen guten Körper. Mir gefiel, dass nur ihre Arme, Beine und das Gesicht gebräunt waren, von den Brüsten bis zu den Hüften war ihre Haut bleich. Es gefiel mir, sie anzusehen und sie zu berühren. Es gefiel mir, mich mit ihr und gegen sie zu bewegen. Und danach tat es gut, neben ihr zu liegen, heiß und verschwitzt und vollkommen erschöpft, während die Erde langsam wieder fest unter uns wurde.
    Eine Weile brauchten wir nicht miteinander zu reden. Dann fing sie an, Kleinigkeiten über sich, über ihren Job und ihre Familie zu erzählen. Sie hatte einen älteren Bruder, der verheiratet war und auf Long Island wohnte, und eine jüngere Schwester.
    Sie erzählte mir nicht, dass wenn überhaupt jemand auf der Welt in ihrem Alter noch eine Jungfrau war, dann sie. Sie entschuldigte sich nicht dafür, dass sie mich aufgegabelt und mit mir geschlafen hatte. Sie wollte sich amüsieren.
    Sie sprach auch nicht von morgen oder übermorgen oder den Tagen nachher. Sie sprach nicht von einem Heim, einer

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