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Abzocker

Abzocker

Titel: Abzocker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Block
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viel Grad betrug, dass die Landebedingungen ideal waren und dass wir pünktlich ankommen würden. Der Pilot schloss mit der Bitte, bei künftigen Flügen doch wieder seine Fluglinie zu wählen. Ich war ein kompletter Idiot. Wir stürzten nicht ab. Alles war in Ordnung.
    Wir landeten glücklich und pünktlich. Ich stieg aus – die Stewardess sprach von de-boarding, ein wirklich cleveres Wort – und wanderte zur Gepäckausgabe im Flughafengebäude. Die Sonne war heiß, und der Himmel wolkenlos. Perfektes Florida-Wetter, perfektes Strandwetter. Mona und ich konnten am Strand liegen und uns die Sonne auf die Haut scheinen lassen. Wir konnten auch nachts am Strand liegen, wenn uns der Mond auf die Haut schien. Ich erinnerte mich an Atlantic City, jenes erste Mal um Mitternacht am Strand. Das Leben ist ein ewiger Kreislauf.
    Nach etwa zehn Minuten traf das Gepäck ein. Ich tauschte es gegen den Gepäckzettel ein und trug es dann zu einem der wartenden Taxen, die in nördlicher Richtung nach Miami Beach fuhren. Der hochgewachsene, sehnige Fahrer war ein Einheimischer. Zwei Dinge verrieten ihn – einmal seine Redeweise, die mehr nach Kentucky oder Tennessee klang als nach tiefem Süden. Fast jeder, der in Dade County aufgewachsen ist, spricht mit so einem Akzent. Außerdem war der Mann überhaupt nicht gebräunt. Leute, die in Miami leben, sind nicht so blöd und legen sich stundenlang in die Sonne. Nur die Yankee-Touristen sind Sonnenanbeter. Er war auch ein guter Fahrer. Wir waren schneller bei meinem Hotel angelangt, als ich gedacht hatte. Ein Page schnappte sich meine Koffer, und ich folgte ihm zur Rezeption. Ja, sie hatten meine Reservierung erhalten. Ja, mein Zimmer war bereit. Und willkommen im Eden Roc, Mr. Marlin. Bitte folgen Sie mir, Sir.
    Das Zimmer lag im fünften Stock. Ein großes Einzelzimmer mit einem riesigen Bad und Blick aufs Meer. Braune Leiber lagen wie Punkte auf dem goldenen Strand. Das Meer war sehr ruhig – überhaupt keine Brandung, nur leichte Wellen. Ich sah, wie eine Möwe im Sturzflug auf einen Fisch hinunterging, sah, wie ein kleiner Junge einen anderen über den Strand jagte, und sah, wie zwei Halbwüchsige – wohl Studenten – ein Mädchen – wohl eine Studentin – im Sand eingruben. Miami Beach.
    Der Strand war an diesem Nachmittag angenehm, die Sonne schien warm und das Wasser war erfrischend. Ich blieb draußen, bis es Zeit zum Abendessen war. Die Menschenmengen nahmen ab, je später es wurde. Fette Männer in mittleren Jahren aus New York rieben sich mit Sonnenbrandsalbe ein, zogen grellbunte Sporthemden an und begaben sich auf die Terrasse, um Karten zu spielen. Mütter trieben ihre Kinder in die Zimmer. Die Sonne ging unter.
    Nach dem Abendessen sah ich mir die Show an. Der Star des Abends war eine vollbusige Sängerin, die in natura noch schrecklicher sang als auf ihren Platten. Aber der Comedian war ganz witzig, auch die Band passabel. Die Drinks waren teuer. Mir machte das nichts aus. Wenn die Zeit kam, um die Rechnung zu bezahlen, würde Mona da sein mit mehr Geld, als ich jemals ausgeben konnte. Um die Preise machte ich mir deshalb keine Sorgen.
    So verging der Samstag. Den Sonntag verbrachte ich auf ähnliche Weise, ebenso Montag und Dienstag. Ich wurde richtig braun, und meine Muskeln lockerten sich von all dem Schwimmen. Am Montagnachmittag verbrachte ich ein paar Stunden im Fitnessraum beim Workout. Dann ging ich in die Sauna und schwitzte. Ein hünenhafter Pole, der kein einziges Haar mehr auf dem Kopf hatte, massierte mich fünfzehn Minuten lang, und ich fühlte mich nachher wie ein neuer Mensch. Körperlich hatte ich mich nie wohler gefühlt.
    Abends trank ich, wobei ich immer leicht angeheitert war, es jedoch nie übertrieb. Ich lehnte Angebote ab, mit den Frauen anderer Männer zu schlafen. Mein Bedürfnis nach einer Frau war stark, und überraschenderweise waren viele Frauen zu haben. Doch ein Trick ließ mich nie im Stich. Ich sah mir die Frauen an und verglich sie mit Mona. Keine konnte ihr auch nur das Wasser reichen.
    Am Mittwoch rechnete ich ernsthaft damit, dass sie eintraf. Den größten Teil des Nachmittags verbrachte ich in der Lobby, alle zehn Minuten sah ich zur Rezeption hinüber. Seit dem Mord war eine ganze Woche vergangen. Sie müsste jetzt eigentlich jeden Augenblick auftauchen. Es gab keine Komplikationen. In den New Yorker Zeitungen las man kaum mehr etwas von dem Mord. Nur hier und da noch ein paar Zeilen auf den hinteren Seite der Times, und

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