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Abzocker

Abzocker

Titel: Abzocker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Block
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und nicht einmal ein Stück Papier, auf dem Lebewohl stand. Dreitausend Dollar und kein Wort, keine Adresse, gar nichts. Dreitausend Dollar als Abschiedsgruß mit einem weißen Umschlag, der klipp und klar ausdrückte, Es ist vorbei, das ist deine Bezahlung, jetzt verschwinde, vergiss mich, und zum Teufel mit dir. Dreitausend Dollar und eine kalte Schulter.
    Für dreitausend Dollar kann man zweihunderttausend Zigaretten kaufen. Ich rauche zwei Packungen Zigaretten am Tag. Dreitausend Dollar würden mich also beinahe vierzehn Jahre lang mit Zigaretten versorgen. Mit dreitausend Dollar kann man vierhundert Gläser guten Bourbon kaufen, ein ziemlich gutes, neues Auto, oder dreihundert Hektar ziemlich minderwertiges Land. Mit dreitausend Dollar kann man dreißig gute Anzüge oder hundert Paar gute Schuhe oder dreitausend Krawatten kaufen. Man kann sechstausend Stunden hintereinander Billard dafür spielen.
    Dreitausend Dollar für Mord.
    Das war nicht annähernd genug.
    Eine seltsame Ruhe war über mich gekommen, was mich überraschte. Wahrscheinlich hatte ich noch immer nicht voll kapiert, was geschehen war. Ich sah alles in einem anderen Licht – Mona, mich selbst, das ganze seltsame kleine Spiel, das wir gespielt hatten. Ich war ihr von Anfang an auf den Leim gegangen. Ich hatte für sie getötet, mehr als für das Geld. Ich hatte in Miami auf sie gewartet, während sie nach Las Vegas geflogen war und mich vergessen hatte.
    Warum hatte sie mich aber dann überhaupt bezahlt?
    Nicht um ihr Gewissen zu beruhigen, denn inzwischen wusste ich ganz genau, dass sie keines besaß. Auch nicht, um mir meinen Anteil auszuzahlen. Dreitausend Dollar waren wohl kaum ein fairer Anteil an dem Gewinn, den sie eingestrichen hatte.
    Warum dann?
    Ich dachte nach und fand zwei Erklärungen, die zu passen schienen. Eine war ganz vernünftig. Falls ich gar nichts von ihr hörte, würde ich in Panik geraten. Ich würde mich fragen, wo sie blieb, und versuchen, mit ihr Verbindung aufzunehmen. Schließlich würde ich jemandem auffallen, und das würde ihren feinen Plan durcheinanderbringen. Das wollte sie vermeiden, also musste sie mich wissen lassen, dass ich abserviert worden war. Genau das hatte sie perfekt erreicht. Kein Brief, kein Anruf, kein Telegramm. Nur ein anonymer Umschlag mit Geld.
    Die andere Lösung konnte nur einem Menschen wie Mona vernünftig erscheinen. Sie war ein Mädchen, in dessen Leben immer alles geklappt hatte. Wenn sie mir nun etwas Kleingeld zukommen ließ, verschwand ich vielleicht einfach. Vielleicht war ich mit meinem winzigen Anteil zufrieden und ließ sie in Ruhe. Vielleicht nahm ich die Kohle, die sie mir aus reiner Nettigkeit geschickt hatte, und machte mich damit davon. Das war natürlich reines Wunschdenken. Aber Mona war es gewöhnt, dass ihre Wünsche in Erfüllung gingen.
    Dreitausend Dollar. Mit dreitausend Dollar konnte ich es mir leisten, sie zu vergessen. Ich konnte mit der Kohle Miami Beach auf den Kopf stellen und mir eine reiche, geschiedene Frau suchen und sie dazu überreden, mich zu heiraten und bis ans Ende meiner Tage auszuhalten. Mit dreitausend konnte ich einen neuen Anfang machen, und sie rechnete damit, dass ich genau das tat.
    Wie wenig sie mich doch kannte.
     
    Irgendwie hatte der Gedanke an Meer und Brandung seinen Zauber verloren, ebenso der Gedanke an Essen. Aber die Bar war offen, und Alkohol war durchaus nicht unattraktiv. Ich trank, betrank mich aber nicht. Ich war damit beschäftigt, all den leisen Stimmen zuzuhören, die irgendwo tief in meinem Kopf miteinander sprachen. Sie hörten nicht auf damit.
    Ich glaube, ich hätte sie vergessen können, wenn es nur um das Geld gegangen wäre. Aber so war es nicht gewesen. Ich hatte Keith Brassard niedergeschossen, weil ich seine Frau wollte, nicht sein Geld. Und ich war nicht von meiner Partnerin ausgetrickst worden, mit der ich mich kurzfristig für dieses Verbrechen zusammengetan hatte, sondern genau durch die Person, die ich als Belohnung für das Verbrechen bekommen wollte. Zwei Sachen gingen mir im Kopf herum: Ich konnte ihr das nicht durchgehen lassen. Und ich konnte nicht zulassen, dass sie mich verließ.
    Ich trank Bourbon und dachte an Mord. Ich überlegte, wie ich sie töten konnte. Ich dachte an Revolver und Messer. Ich sah meine Hand an, meine Finger, die sich um das altmodische Glas krampften. Mit bloßen Händen konnte ich sie erwürgen, so lange auf sie einprügeln, bis sie tot war. Ich trank immer mehr Bourbon, und mir

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