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Abzocker

Abzocker

Titel: Abzocker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Block
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dann nicht viel Neues. Ich wartete auf sie.
    Als sie auch am Donnerstag noch nicht auftauchte, wurde ich ungeduldig. Schließlich hatte ich ihr gesagt, eine Woche, höchstens zehn Tage. Und nachdem alles so ideal lief, brauchte sie keine Zeit zu verschwenden. Alles war klar. Zum Teufel mit Mantel und Degen, mit Mitchum in seinem Trenchcoat. Ich wollte meine Frau.
    Auch am Freitag tauchte sie nicht auf.
    Freitagabend trank ich zu viel. Ich saß vor der Bar und schüttete zu viele Gläser Bourbon ohne Eis in mich hinein. Es hätte gefährlich werden können. Aber glücklicherweise bin ich ein unauffälliger Trinker, ich werde nicht laut, wenn ich betrunken bin. Ein Page brachte mich schließlich ins Bett, und ich wachte früh am Morgen mit einem Kater auf, wie ich noch nie einen gehabt hatte. Ein rot glühender Draht lief von einem Ohr zum anderen durch meinen Schädel, und jemand zupfte daran. Ich trank eine Bloody Mary und fühlte mich etwas wohler.
    Samstagmorgen. Eine Woche Miami Beach, was mehr als genug ist. Und keine Mona. Den ganzen Tag wartete ich in der Lobby, aber sie kam nicht.
    Ich begann zu schwitzen. Beinahe wäre ich zur Rezeption hinübergegangen und hätte gefragt, ob sie ein Zimmer reserviert hatte. Aber das wäre natürlich der Gipfel der Dummheit gewesen. Stattdessen ging ich hinaus und schlenderte die Collins Avenue hinunter zur nächsten Bar. Dort gab es ein Telefon. Ich rief das Eden Roc an und erkundigte mich nach Mrs. Brassard.
    »Einen Augenblick, bitte«, sagte die Stimme an meinem Ohr. Ich wartete wesentlich länger als einen Augenblick, und dann kam der Angestellte wieder.
    »Tut mir leid«, sagte er. »Aber hier wohnt niemand unter diesem Namen.«
    »Könnten Sie unter den Reservierungen nachsehen?«
    Das tat er. Es gab keine Reservierung für Mrs. Brassard.
    Ich ging zur Bar zurück und genehmigte mir einen Drink. Zurück im Hotel versuchte ich, mich zu beruhigen. Vielleicht hatte sie vergessen, in welchem Hotel sie absteigen sollte. Vielleicht war das Eden Roc ausgebucht. Ich führte ein halbes Dutzend Telefongespräche. Ich fragte im Fontainebleau, im Americana, im Sherry Frontenac, im Martinique und noch zwei anderen Hotels nach ihr. Jedes Mal erkundigte ich mich zuerst nach Mrs. Brassard und fragte dann, ob es eine Reservierung für sie gäbe. Und jedes Mal zog ich eine Niete.
    Es gab sicher eine Erklärung, es musste eine geben. Aber was auch immer die Lösung sein mochte, ich kam nicht drauf. Entweder war mir etwas entgangen, oder etwas war vollkommen falsch gelaufen; jedenfalls kam ich mir wie eine Ratte in einem Labyrinth vor. In psychologischen Labors führen sie diese reizenden kleinen Experimente durch. Erst bringt man einer Ratte bei, wie sie durch ein Labyrinth kommt, und dann steckt man sie in ein Labyrinth, das überhaupt keinen Ausweg hat. Die Ratte versucht alles, aber nichts funktioniert. Am Ende reagiert die Ratte auf diese Frustration immer so: Sie verkriecht sich in eine Ecke und kaut sich die Pfoten ab.
    Ich kaute noch nicht an meinen Pfoten. Ich ging ins Eden Roc zurück, stellte mich unter die kalte Dusche und dachte an die Rechnung, die jeden Tag fällig wurde. Ich fragte mich, ob ich sie bezahlen konnte und wie lange es dauern würde, bis Mona auftauchte. Die einzige Erklärung war, dass sie auf eine Zimmerreservierung verzichtet hatte. Vielleicht musste sie in New York bleiben, bis die Erbschaftsangelegenheiten geregelt waren. Hin und wieder liest man über solche Dinge, über Leute, die wegen juristischer Probleme nicht an ihr Geld kommen. Kleinigkeiten.
    Ich redete mir diese Geschichte ein, bis ich sie selbst glaubte. Dann verging wieder eine Nacht. Am nächsten Morgen ging ich an den Strand und ließ mir die Sonne auf die Haut brennen, bis die Bitterkeit und die Angst verschwunden waren. Ich schwamm und schlief und aß und trank. Das war der Sonntag.
    Am Montagmorgen stand ich spät auf. Ich ging hinunter zum Frühstück, das im Eden Roc bis drei Uhr nachmittags serviert wurde, und wollte mit dem Lift wieder hoch in mein Zimmer fahren.
    Der Mann an der Rezeption war zu schnell für mich.
    »Mr. Marlin …«
    Ich hätte so tun können, als hörte ich ihn nicht. Doch die Rechnung würde früher oder später ohnehin zu mir kommen, es hatte keinen Sinn, ihr ein oder zwei Tage auszuweichen. Wahrscheinlich konnte ich sie auch noch bezahlen. Also ging ich zur Rezeption, wo er mich mit einem Lächeln empfing.
    »Ihre Abrechnung«, sagte er und reichte mir ein

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