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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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sich umdrehte. »Erwachsene Männer, hat mein Vater mir einmal gesagt, müssen Widersprüche aushalten können. Nur Narren glauben, alles müsse eindeutig sein. Ihr seid kein Narr, Aliver. Ihr seid nur naiv.«
    Aliver, der abermals einen halben Schritt hinter Hephron ging, wiederholte im Geist mehrmals diese Worte. Er wusste, er hätte aufbrausen und Hephron Schwäche in Zeiten der Gefahr vorwerfen sollen. Stattdessen folgte er ihm, als werde er in seinem Kielwasser mitgezogen. Er verglich Hephrons Worte mit dem kryptischen Geständnis des Kanzlers. Als sie das Ende der Treppe erreichten, dachte er noch immer über die ernste Bedeutung der Schlussfolgerungen nach, die sich daraus ergeben mochten. Hephron, der die letzte Stufe als Erster erklomm, erstarrte. Als er oben an der Treppe stand und hinabblickte, ergab die Szene, die Aliver vor sich sah, keinerlei Sinn.
    Auf dem Platz unter ihnen, etwa hundert Schritte weit entfernt, herrschte vollkommenes Durcheinander. Schreiende Menschen rannten in alle Richtungen. Der Erste, den er erkannte, war General Rewlis. Doch gerade als er ausgemacht hatte, wer er war, sah er, wie der Mann von hinten mit einem Hieb ins Bein niederstreckt wurde. Aliver kannte den Mann, der die Klinge schwang, doch sein Name fiel ihm nicht ein. Rewlis fiel auf ein Knie, den Kopf in einem Schmerzensschrei zurückgeworfen; Sekunden später verstummte er jäh, als ihm das Schwert, das sein Bein getroffen hatte, mit einem diagonal geführten Hieb dicht unter dem Ohr den Hals aufriss. Die Klinge löste sich, dunkler als zuvor. Der General brach zusammen, Blut spritzte aus seinem Hals, und seine Beine verschmierten es auf dem Pflaster, als sie im Todeskampf zuckten.
    »Hellel?«, flüsterte Melio.
    Hephron begriff schneller als Aliver, was er meinte. »Du Schuft. Ich hätte dich so oft im Schlaf töten können.«
    Auch diese Bemerkung trug nichts dazu bei, dass Aliver das Chaos unter ihnen besser verstand. Hellel? Er hatte zu Hephrons Gefolge gehört, ein blasser Schatten, der niemals von seiner Seite gewichen war und seine Sätze für ihn hätte vollenden können.
    Als Hephron bemerkte, dass Aliver noch immer verständnislos auf den Platz hinunterstarrte, gestikulierte er mit dem Arm, eine Bewegung, die das Geschehen dort unten gleichzeitig hervorhob und es wegwischte. »Sie sind Männer der Mein! Schaut sie Euch an! Hellel, dort bei der Brüstung. Und Havaran. Und Melish auf der Treppe. Sie haben uns verraten! Wir hätten damit rechnen müssen.« Im nächsten Moment hatte er sich in Bewegung gesetzt und stürmte mit halsbrecherischer Geschwindigkeit die Treppe hinunter; seine Füße schlugen in nahezu unkontrolliertem Fall gegen die Steine. Er versuchte, im Laufen das Schwert zu ziehen, doch es gelang ihm erst, als er auf der Terrasse innehielt. Sofort wurde er angegriffen, zwei Männer stürmten von verschiedenen Seiten her auf ihn ein. Eine Sekunde später war Melio leichtfüßig hinter ihm, seine Klinge wirbelte als kaum erkennbarer Schemen durch die Luft.
    Aliver sollte erst später versuchen, sich darüber klar zu werden, was dann als Nächstes geschehen war. Er würde sich daran erinnern, dass er das Schwert gezogen, die Zähne zusammengebissen und sich angeschickt hatte, sich die Treppe hinunter in die Schlacht zu stürzen … Genau das hätte er beinahe getan. Er hatte es unbedingt tun wollen. Und er hätte es auch getan, wenn ihn nicht jemand am Unterarm gepackt und herumgedreht hätte, ehe er sich rühren konnte.
    Es war Schnitzer, der Marah-Hauptmann. »Prinz«, sagte er, »steckt das Schwert wieder in die Scheide. Ihr müsst Euch in Sicherheit bringen.« Und er befahl einigen seiner Soldaten, Aliver fortzubringen. Die anderen stürmten hinter Schnitzer die Treppe hinunter. Und damit hatte es sich. Wie der Kampf endete, sah Aliver nicht mehr. Er wurde »in Sicherheit« gebracht, während Melio und Hephron zu Kriegern wurden.

25

    Erschöpft von einem langen Tag, an dem er mit seiner inneren Zerrissenheit gerungen hatte und dabei nach außen hin als tüchtiger Kanzler aufgetreten war, betrat Thaddeus Clegg seine Gemächer. Seine Katze Mesha erhob sich auf dem Stuhl, auf dem sie zusammengerollt geschlafen hatte, streckte erst eine Pfote, dann die andere und begrüßte ihn mit einem schnurrenden Maunzen. Sie gehörte einer Rasse an, die im Süden Talays beheimatet war, sandfarben und fast überall kurzhaarig, außer am Bauch und unter dem Kinn. Sie war etwa anderthalb Mal so groß wie eine

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