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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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Schlag mit der flachen Hand auf die Brust zum Stillstand bringen können, der, genau im richtigen Winkel und mit der richtigen Wucht angebracht, geeignet war, das Organ zu lähmen. Er könnte ihnen ein Ende bereiten und Gridulan auf diese Weise seinen Verrat zurückzahlen.
    »Wie kläglich das alles ist, Mesha«, sagte er und strich mit der Hand über den Rücken der Katze. Mesha schaute zu ihm auf, die Augen schräg und gelangweilt. »Ich habe alles falsch gemacht! Ich sollte überlegen, welches der sicherste Weg ist, und ihm unbeirrt folgen. Nichts vermag den bevorstehenden Wandel mehr aufzuhalten; das sehe ich ebenso deutlich wie jeder andere. Außerdem sind die Kinder nicht so unschuldig, wie es den Anschein hat. Wächst der Schakalwelpe nicht irgendwann zu einem Schakal heran? Wird er nicht irgendwann die Hand beißen, die ihn füttert? Anders kann es nicht sein. Es ist töricht, so zu tun, als könnten sie oder ich etwas anderes sein, als wir sind.
    Siehst du, das ist mir durchaus bewusst. Aber ich liebe sie. Das ist das Problem.«
    Mesha war fast wieder eingeschlafen, als Thaddeus sich erhob und sie auf den Boden setzte. Der Kanzler ärgerte sich über sich selbst, weil er überhaupt gesprochen hatte, und sei es auch nur zu einer Katze. Er trat zu dem Wandschrank neben seinem Bett und nahm die Nebelpfeife heraus, die dem König gehört hatte. Seltsam, dass er erst so spät auf dieses Laster verfallen war. Seltsam, dass er bereits ein ganzes Leben gelebt hatte, ehe ihm aufgegangen war, was es mit der wahren Sehnsucht nach Vergessen auf sich hatte. Er wusste, dass er sich morgen abermals schweren Entscheidungen würde stellen müssen, getroffenen oder nicht getroffenen, doch bis dahin wollte er alles vergessen oder zumindest jenen Zustand erreichen, in dem nichts davon wichtig war.
    Später erwachte er aus einem schwarzen Nichts, einem traumlosen, gedankenlosen Sein, abgründiger als jeder Schlaf. Die Kraft, die ihn von diesem Ort zurückgeholt hatte, war unglaublich stark. Es war, als habe eine eiserne Hand einen Teil seines Wesens gepackt und ins Bewusstsein gezogen. In der Hoffnung, die Veränderung seiner Körperstellung werde ihn wieder einschlafen lassen, wälzte er sich auf den Rücken, denn obgleich er wach war, war noch nicht Tag. Am Fußende des Bettes spürte er einen Druck und dachte, dass dies Mesha sein müsste. Manchmal klammerte sie sich an sein Bein und grub ihre Krallen ins Fleisch einer imaginären Beute.
    Doch dann sagte eine Stimme: »Erhebt Euch und seht mich an.«
    Thaddeus wollte nach seinen Leibwächtern rufen, doch ehe er seinen Mund dazu zwingen konnte, gehorchte der Rest seines Selbst dem Befehl bereits. Er richtete sich auf, und da Bild vor ihm weitete sich mit seiner neuen Haltung. Nur … nur hatte sein Körper sich nicht bewegt. Sein Kopf, seine Brust und seine Arme waren ihm nicht gefolgt. Beim Aufsetzen hatte er die auf dem Bett liegende körperliche Hülle irgendwie verlassen. Es war, als sei er mit einem sanften Ziehen aus seiner Haut geschlüpft. Er fühlte, wie seine Organe, die Muskeln und Knochen seinen Geist entließen. Sein Körper gab ihn frei, und nun saß er aufrecht da, während seine untere Hälfte noch in den Hüften, Lenden und Beinen steckte, der Oberkörper ein gehorsamer Geist in Habtachtstellung.
    Vor ihm, am Fußende des Bettes, war der verschwommene Umriss eines Mannes zu erkennen. Er hatte ungefähr die Gestalt eines menschlichen Körpers, allerdings konnte er durch den Mann hindurch in den trüb erhellten Raum dahinter blicken. Von der Gestalt ging ein eigenes Leuchten aus. Ihre grauen Augen flammten zu strahlenden Punkten auf. Sie waren am deutlichsten zu erkennen, diese beiden leuchtenden Kreise, um die der Rest des Wesens geschart war. Sie waren der einzige Teil von ihm, der solide genug zu sein schien, um ihn zu berühren, und doch flackerte die Energie, die sie erhellte, in Wellen dahinter. Bisweilen wurde das Licht dunkler und dann wieder heller, als befände sich darin das Licht des Mondes, der immer wieder von einer Wolke verdeckt werde. Die Augen verliehen den Gesichtszügen Konturen und ließen auch Schultern und Arme deutlich hervortreten, wenngleich die unteren Körperregionen zu nichts verschwammen.
    Die Gestalt sprach abermals. Ihre Stimme schien durch weite Ferne geschwächt, hohl wie Worte, die durch ein Rohr gesprochen werden. Doch so unheimlich sie sich auch anhörte, traf ihre Offenheit Thaddeus doch wie ein Schlag ins Gesicht.

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