Acacia 01 - Macht und Verrat
Griff hatten wie eh und je. Und sie hatten sich nicht getäuscht. Mein-Soldaten im ganzen Reich erhoben sich, sobald sie von der Kriegserklärung hörten. Sie wandten sich gegen die Menschen, die sie eben noch Kameraden genannt hatten.
In Acacia zogen alle dreiunddreißig Mein-Soldaten des acacischen Regiments sowie vier Mann, die kürzlich aus Alecia eingetroffen waren, die Schwerter und machten die Hälfte der acacischen Offiziere auf der Insel nieder, ein Leichtes innerhalb der ersten verblüfften Augenblicke. In Aos bemalten sich fünf Mein die Gesichter mit Blut und wüteten auf dem Wochenmarkt, wo sie jeden erschlugen, der ihnen in den Weg kam. Andere vergifteten die Trinkbrunnen in den Erholungsstädten östlich von Alecia. Und ein einzelner Soldat, der auf einem Vorposten auf dem Festland stationiert war, wurde zum Meuchelmörder und tötete seine Vorgesetzen und mehrere Würdenträger in ihren Betten, bevor er ergriffen wurde. Sie alle opferten sich, denn kein einziger dieser Rebellen wollte dem Gegner lebend in die Hände fallen. Ohne Zweifel spornten die Tunishni sie an und verlangten von ihnen, die Ungeheuerlichkeit, den Akaran gedient zu haben, mit ihrem Tod wiedergutzumachen.
Nur in Talay wurde der Aufstand vereitelt, bevor er begann. Vorbeugende Befehle erreichten Bocoum fast zeitgleich mit der Nachricht von der Kriegserklärung, und so wurden die hier stationierten Mein-Soldaten in Ketten gelegt, bevor sie zu den Waffen greifen konnten. Bedauerlich, aber kein großes Unglück. Alles in allem war Hanish stolz auf sein Volk. Falls man den Schätzungen Glauben schenken konnte, war die Armee des Reiches durch die Aufstände um nahezu ein Viertel dezimiert worden: sowohl durch die Leben, die die Rebellen mit der Klinge auslöschten, als auch dadurch, dass sie selbst die Reihen der Soldaten verließen. Die Acacier konnten von Anfang an keinen Tritt fassen und nur selten entschlossen handeln. So viel zu dem mächtigen Weltreich! Nur wenige Wochen nachdem der Krieg durch Leodan Akarans Tod ausgelöst worden war, hatte der Mein-Häuptling keinen Grund zu der Annahme, es sei ein Fehler gewesen, ihn zu beginnen. Dabei war seine mächtigste Waffe noch gar nicht zum Einsatz gekommen.
Die Entscheidungsschlacht sollte auf den riesigen Feldern östlich von Alecia stattfinden. Wegen der Wirren der gegenwärtigen Zeit war das Land dort bislang unbebaut. Die Acacier glaubten, eine starke Armee zusammengezogen zu haben. Da die Gilde mit ihren Schiffen ohne vorherige Ankündigung und ohne ein Wort der Erklärung davongesegelt war, waren ihre Transportmöglichkeiten sehr begrenzt, doch andere waren dem Reich mit Fischerbooten und Fähren zu Hilfe geeilt, mit Lastkähnen und Vergnügungsschiffen, mit Ruderbooten und Einbäumen. An Land stellten Händler und Kaufleute ihre Karren, Pferde und Maultiere zur Verfügung. Darauf und auf Schusters Rappen zogen die Soldaten nach Alecia. Unter wessen Führung diese Truppen eigentlich standen, war nicht klar. Im Namen des Akaran-Prinzen wurden zwar pompöse Verlautbarungen veröffentlicht, doch der Junge selbst trat nicht in Erscheinung, was Hanish durchaus recht war.
»Wie liebenswürdig seitens ihres Befehlshabers«, bemerkte Haleeven, »so viele an einem Ort zusammenzuziehen, wo wir uns mit allen auf einmal befassen können. Wenn man es recht bedenkt, sollten wir ihnen vielleicht mehr Zeit lassen, sich zu versammeln.«
»Das gebietet schon die Höflichkeit«, pflichtete Hanish ihm bei.
Nachdem die Mein-Kämpfer ein paar Tagesmärsche vom Feind entfernt an Land gegangen waren, rückten sie nicht sogleich gegen diesen vor. Sie errichteten ein großes Feldlager. Als die Arbeiten abgeschlossen waren, suchten sie Entspannung und Kurzweil. Das Klima war so mild, dass die Männer sich ihrer Kleider entledigten und die Berührung der Luft an Körperteilen fühlten, denen dergleichen seit Monaten nicht mehr zuteilgeworden war. Sie waren gespenstisch bleich, und ihre schorfige Haut rötete sich alsbald in der Wärme des Festlandfrühlings. Ausgelassenen veranstalteten sie Wettläufe und Ringkämpfe, Übungsgefechte mit Schwert und Speer sowie eine Art Tauziehen, bei dem zwei sich an den Händen haltende Männer als Tau dienten. Zehn oder mehr Männer hoben die Ausgewählten von den Beinen und versuchten, die gegnerische Mannschaft aus dem Gleichgewicht zu bringen, ehe die beiden Soldaten in der Mitte losließen. In vielerlei Hinsicht hatte das Ganze viel von einem Sommerfest, denn das
Weitere Kostenlose Bücher