Acacia 01 - Macht und Verrat
hören, dass all dies so sei, wie es sein musste. All dies war gerecht und richtig. Es begann vor seiner Zeit und würde weitergehen, wenn er nicht mehr war. Er war nur ein Werkzeug und diente einem höheren Zweck.
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Das Schiff war ein großes Fischerboot, mit zwei rechteckigen Großsegeln nahe der Mitte und einem dreieckigen Klüver, der wie ein Kinderdrachen vor dem Bug tanzte, sich abwechselnd bauschte und erschlaffte, sodass das simple Zeichen, das seinen Besitzer kenntlich machte, auftauchte und wieder verschwand. Jeder, der es vom Ufer her erblickte, kannte das Schiff jedoch gut. Es befuhr die acacischen Gewässer schon seit über dreißig Jahren. Die Besatzung war etwas größer als sonst, doch es war nicht ungewöhnlich, dass die Boote in den späten Wintermonaten Lehrlinge an Bord nahmen, bevor die Thunfische von den talayischen Sandbänken zurückkehrten und von Festlandschiffen verfolgt wurden, die Matrosen brauchten. Das Schiff lag hoch im Wasser, ein Zeichen für leere Laderäume, die darauf warteten, gefüllt zu werden; auch der Zeitpunkt des Ablegens war üblich für ein Schiff, das sich auf die fünftägige Schleife begab, die während der Flautenzeit notwendig war. Doch nichts von alldem war tatsächlich so, wie es den Anschein hatte.
Die Männer in Fischerkleidung waren in Wirklichkeit Marah-Krieger. Und die Fracht bestand nicht aus den gelbschwänzigen Fischen, die das Schiff für gewöhnlich in der Winterzeit fing. Stattdessen hatte es die vier Akaran-Kinder an Bord. Zu Beginn der Reise versteckten sie sich im stinkenden Frachtraum, mürrisch und mit stierem Blick. Sie alle waren von der gleichen Sorge gezeichnet, als wäre sie etwas, das sie schon von Geburt an in sich trugen, das aber erst in letzter Zeit zum Vorschein gekommen war. Mena hatte ständig das Gefühl, etwas sagen zu müssen, um die Spannung zu lösen. Aber dann hielt sie doch jedes Mal den Mund, da ihr nichts Vernünftiges einfiel.
Als das Schiff die schützende Einfassung des Nordhafens hinter sich gelassen hatte, suchte es sich einen Halt im Wind und flog dahin, von diesem gezogen. Gefolgt von einem lärmenden Möwenschwarm, durchschnitt es das glasblaue, eiskalte Wasser. Als sie die Insel hinter sich gelassen hatten, lud der Hauptmann der Leibgarde die Kinder ein, an Deck zu kommen. Hier könne sie niemand mehr sehen. Mena beobachtete die Wachen vom Heck des Schiffes aus und schmeckte die salzige Luft am Gaumen. Sie fragte sich, wer von den Männern und den wenigen Frauen wohl schon einmal getötet hatte. Einige von ihnen hatten dabei mitgeholfen, den Aufstand der Mein-Soldaten niederzuschlagen. Die Rebellen waren innerhalb einer blutigen Stunde besiegt worden; die letzten waren die Treppen hinuntergehetzt und schließlich gestellt und auf den Straßen der Unterstadt erschlagen worden. Aliver, das wusste sie, hatte man zuvor aus dem Gewühl in Sicherheit gebracht. Er sprach nicht darüber, doch sie spürte, dass er sich dessen schämte. Doch das war nicht der einzige Grund, weshalb er in seinem Stolz getroffen war.
Sie wandte sich von den Marah-Kriegern ab und betrachtete das Kielwasser. Sie wusste nicht, was sie von dieser Reise halten sollte. Thaddeus hatte ihnen erklärt, sie müssten vorübergehend von der Insel verschwinden, für eine Woche, höchstens aber für einen Monat. Dies diene ihrer Sicherheit, und sie bräuchten sich nur so lange zu verstecken, bis der Aufstand vollständig niedergeschlagen, die Schuldigen am Tod ihres Vaters bestraft und alle übrigen Aufrührer auf der Insel aufgespürt worden seien. Sie würden zur Südspitze von Kidnaban segeln und sich in die Obhut des Bergwerksaufsehers begeben. Thaddeus hatte ihnen versprochen, dass sie so bald wie möglich nach Acacia zurückkehren würden. Aus irgendeinem Grund hatte Mena ihm nicht geglaubt. Hinter seiner besonnenen Miene und seinen vernünftigen Worten lag irgendeine andere Wahrheit, doch sie konnte sich nicht vorstellen, was das sein könnte.
Aliver schien nicht an der Aufrichtigkeit des Kanzlers zu zweifeln, doch er hatte sich dem Plan trotzdem mit einer Heftigkeit widersetzt, die Mena noch nie bei ihm erlebt hatte. Er hatte etwas über die kommende Schlacht gebrüllt, hatte gesagt, es sei seine Pflicht, die Armee anzuführen. Er sei der König! Er müsse die Verantwortung übernehmen, und wenn es seinen Tod bedeute. Thaddeus musste seine ganze Überzeugungskraft aufbieten, um Aliver halbwegs zu beruhigen. Er berief sich auf seine Vollmacht als
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