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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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sich Mena, die befürchtete, die unverhoffte Unterhaltung könnte in einen Streit ausarten. Wenn jemand Plattheiten von sich gab, dann war es Corinn.
    Corinn machte ein Geräusch tief in der Kehle, eine Art protestierendes Aufstöhnen. »Es ist so seltsam hier, Mena. Nichts ist so, wie es sein sollte. Ich ertrage es nicht, wie diese Leute aussehen. Sie sehen irgendwie... dumpf aus, als besäßen sie nur den Verstand von Tieren. Ich will nach Hause. Ich hasse diesen Schwebezustand. Ich habe so viel zu tun. Wichtige Dinge.«
    »Zum Beispiel?«, fragte Mena, um einen versöhnlichen Ton bemüht. Trotzdem warf Corinn ihr einen schiefen Blick zu. »Davon verstehst du nichts.«
    Als ihnen am vierten Tag ein Bediensteter des Bergwerksleiters Würfel brachte, damit sie »Rattenjagd« spielen konnten, gab Mena es endgültig auf, so zu tun, als könne sie in diesen kahlen Räumen Zerstreuung finden. Sie zählte die Tage ebenso genau wie Aliver, sie warteten beide auf die nächste Nachricht von Thaddeus und hofften, er werde sie nach Hause holen. Als dann der erste knappe, kryptische Brief des Kanzlers eintraf, zog er keinerlei Veränderung nach sich. Er schrieb, die Lage sei unsicher. Sie sollten auf der Insel bleiben. Er versprach, sie von jeder Veränderung unverzüglich zu unterrichten, verlor aber kein einziges Wort darüber, was sich seit ihrer Abreise ereignet hatte. Keine Neuigkeiten vom Krieg. Keine Andeutung, ob die Lage sich verschlimmert oder verbessert hatte.
    Eines Nachmittags bemerkte Mena, dass der Himmel sich verdüstert hatte, und fürchtete schon, ihre bösen Vorahnungen seien irgendwie Wirklichkeit geworden. In der Luft waren Schatten, wolkenartige, wogende Schleier, die von den Luftströmungen zerweht wurden. Als sie sie durch das kleine Fenster in ihrem Zimmer erblickte, wurde ihr bewusst, dass sie schon immer da gewesen waren. Sie hatte sie bloß nicht näher betrachtet. Der Himmel war nicht einfach bedeckt, wie sie zunächst vermutet hatte. Jenseits der dunklen Schleier war helles Blau, bis ganz zum Himmel hinauf. Wie seltsam, dachte sie. Unwillkürlich wandte sie den Blick ab, denn die Schemen am Himmel wirkten zu sehr wie Unheilsboten, zu sehr wie Wirbel und Strömungen, die als etwas Bedrohlicheres Gestalt annehmen könnten, wenn sie zu lange hinsah.
    Als sie am nächsten Morgen erwachte, trat sie als Erstes ans Fenster. Die dunklen Schleier waren immer noch da; jetzt, da sie wusste, worauf sie achten musste, sah sie sie ganz deutlich. Gegen Abend zu verdichteten sie sich sogar. Je länger Mena sie beobachtete, desto deutlicher wurde ihr die Gegenwart der Wolken um sie herum bewusst, auf vielerlei Weise. Meistens wogten sie träge in unsichtbaren Luftströmungen, doch wenn kein Luftzug wehte, setzten sich kleine Körner überall ab und sammelten sich selbst in den Unebenheiten der Wände. Es war eine Form von Staub, so leicht, dass er vom leisesten Lüftchen fortgetragen wurde. Sie spürte die Berührung winziger Kristalle auf den Wangen, den Augenlidern und der Stirn. Sie spürte sie in der Lunge, ein körniger Staub, den sie mit jedem Atemzug einatmete. Er war überall. Es wunderte sie, dass sie das erst jetzt bemerkt hatte.
    Mena fragte das Dienstmädchen, das ihr die Bettwäsche wechselte, ob auch sie die Schleier bemerkt hätte. Die junge Frau schien gar nicht erfreut darüber, dass man sie angesprochen hatte. Beinahe wäre sie aus dem Zimmer geflüchtet. »Prinzessin, was Ihr da seht, ist der Staub aus dem Bergwerk. Der wird dort aufgewirbelt, das ist alles.«
    Mena erkundigte sich, ob es weit sei zu den Gruben. Die junge Frau schüttelte den Kopf. Sie erklärte, die lägen gleich hinter den Hügeln. Wo denn dann all die Arbeiter steckten?, wollte Mena wissen. Weshalb sie noch kein Anzeichen dafür gesehen habe, dass es hier überhaupt ein Bergwerk gebe?
    »Ihr habt doch ein Anzeichen gesehen. Ihr habt es in der Luft gesehen. Aber für Euch braucht dies alles nicht wirklicher zu sein als das. Die Arbeiter? Ich weiß nicht, Herrin. Vielleicht gibt es gar keine Arbeiter. Es steht mir nicht zu, das zu sagen.«
    Während Mena noch über diese Antwort nachsann, schlüpfte die junge Frau aus dem Zimmer. Ärgerlich. Eine Dienerin sollte nicht einfach gehen, wenn man mit ihr sprach. Andererseits war die Kühnheit der Frau, einfach davonzuschlüpfen, vielleicht das, was Mena ein paar Stunden später ihrerseits zum Handeln verleitete.
    Nach Einbruch der Dunkelheit stahl sie sich aus dem Haus, in einen

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