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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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Brief, den er ihr gezeigt hatte. Der Brief enthielt eine kurze Erklärung in Thaddeus’ Handschrift. Der Kanzler hatte geschrieben, die sicherste Methode für sie, sich zu verstecken, sei, keine unnötige Aufmerksamkeit zu erregen und auf alle Annehmlichkeiten zu verzichten. Niemand werde argwöhnen, dass die Akaran-Kinder mit nur einem Beschützer reisen könnten; daher würden sie unerkannt bleiben und könnten sich ungehindert an ihren Bestimmungsort begeben. Alles hinge davon ab, dass keine Spuren hinterließen, anhand derer man später ihre Flucht nachvollziehen könne. Wahrscheinlich konnten sie aus diesem Grund auch nicht mehr auf das Vermögen des Königreiches zurückgreifen. Die Verstellung wurde ihr allmählich lästig.
    »Wohin bringt Ihr mich?«, wollte Mena wissen.
    Der Beschützer wendete den Kopf hin und her und blickte über das Kielwasser hinweg in die Ferne. Das tat er alle paar Augenblicke, als wäre dies ein Zwang, den er in seiner reservierten Art nicht zu bezähmen vermochte. »Ich tue nur, was man mir aufgetragen hat«, erwiderte er.
    »Das weiß ich. Aber wohin sollt Ihr mich bringen?«
    »Zum Vumu-Archipel. Das habe ich Euch doch schon gestern und vorgestern gesagt, Prinzessin.«
    »Warum?«
    »Das weiß ich nicht. Ich tue nur, was man mir aufgetragen hat.«
    »Könnt Ihr mich nicht stattdessen nach Hause bringen?« Als er sie kurz ansah, lag ein Ausdruck in seinen Augen, den sie nicht zu deuten vermochte. Dann blickte er gleich wieder aufs Meer hinaus. »Das geht nicht. Das kann ich nicht tun, selbst wenn ich’s wollte. Ich kann verstehen, dass Ihr Euch fürchtet, aber ich helfe Euch, so gut ich kann.«
    »Wie lange wird es dauern, bis wir dort ankommen?« »Noch ein paar Tage. Das hängt vom Wind und von der Strömung ab.« Er schwenkte die Hand, als misstraue er diesen Phänomenen und sei sich nicht ganz sicher, ob er sie richtig deuten konnte.
    Mena blickte ihn unverfroren an. »Ich habe nicht gesagt, ich hätte Angst. Ihr seid es, der sich fürchtet. Weshalb blickt Ihr Euch ständig um? Wonach haltet Ihr Ausschau?«
    Er sah sie finster an, dann richtete er den Blick verstockt nach vorn. Sein Respekt vor ihrer Familie – wie sehr er auch durch die Ereignisse der letzten Zeit Schaden genommen hatte – veranlasste ihn zur Mäßigung. »Da ist ein Boot«, sagte er schließlich. »Hinter uns. Und es kommt näher.«
    Er hatte recht. Das Boot sah noch winzig aus. Man hätte es mit einer weißen Schaumkrone verwechseln können. Es tauchte immer nur kurz auf und verschwand gleich wieder in einem Wellental. Zunächst wollte sie nicht wahrhaben, dass es ihnen folgte. Wie wollte er das in dieser wogenden Weite erkennen?
    Eine Stunde später hatte sie jedoch den Eindruck, das Boot sei ihnen ein Stück näher gekommen. Jedes Mal, wenn es aus einem Wellental zum Vorschein kam, war es ein wenig deutlicher zu erkennen als zuvor. Mena fragte den Talayen, ob sie nicht auf das Boot warten sollten. Vielleicht kam es aus Acacia und war ausgeschickt worden, um sie zu finden. Der Beschützer antwortete nicht, änderte weder den Kurs, noch holte er das Segel ein. Doch das war auch nicht entscheidend, denn das andere Boot war schnell. Es war länger und hatte eine größere Segelfläche. Es holte rasch auf, angetrieben von einem aufkommenden Sturm. Oder vielleicht zog es den Sturm auch hinter sich her. Es war schwer zu sagen.
    Windböen pflügten wie Krallen übers Wasser und warfen das Boot wie ein Spielzeug hin und her. Die Wellen wurden höher. Gegen Abend hatte das fremde Boot sie eingeholt und durchschnitt das Wasser mit der gleichen Geschwindigkeit wie sie. Die Entfernung betrug hundert Schritte, dann wurden es weniger. An Bord befand sich ein einziger Mann. Kaum hatte Mena ihn ausgemacht – sie hoffte noch immer, es wäre ein Bote ihres Vaters -, richtete er sich auf. Einen Moment lang kämpfte er um sein Gleichgewicht. In der Hand hielt er eine Art Stock. Der Beschützer hatte ihn offenbar ebenfalls gesehen. Er fluchte unterdrückt. Dann bedeutete er Mena, zu ihm zu kommen, und sagte etwas, das sie nicht verstand. Sie glaubte, er wolle, dass sie das Ruder übernahm, das er sich unter den Arm geklemmt hatte. Oder dass sie die Leine festhielt, an der er ständig herumnestelte und zog. Wie dem auch sei, sein verängstigter Tonfall und seine fahrigen Gesten ließen sie erstarren. Sie wurden von einer Woge emporgetragen und schossen an der anderen Seite in die Tiefe, das Segel so sehr von zorniger Luft

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