Acacia 01 - Macht und Verrat
Anweisungen, und seine Hoffnung war auf völlig unerwartete Weise wieder zum Leben erweckt worden. An der Hüfte trug er ein acacisches Schwert, ein Abschiedsgeschenk des Kanzlers. In den ersten Jahren von Hanishs Herrschaft hätte ein ehemaliger Soldat des Reiches, der bewaffnet herumlief, Aufmerksamkeit erregt, doch in der Zwischenzeit hatte sich die Welt gewandelt. Der Widerstand war erloschen. Die weiträumig verteilten Mein-Truppen achteten nicht auf einzelne Personen, sondern konzentrierten sich darauf, Hanishs Herrschaft zu sichern, sowie den Handel, der sie stützte.
Leeka schritt dahin und genoss das Pumpen der Luft in seiner Lunge, den Schmerz in seinen Beinen. Am Ende der ersten Woche hatte er zu seiner früheren Disziplin zurückgefunden. Er wählte bewusst Routen aus, die über besonders steile Pässe führten, und stapfte Geröllhalden hinauf, auf denen er bei jedem Schritt nach vorn einen halben zurückrutschte. Als er eines Nachmittags auf einem Sattel zwischen zwei Gipfeln rastete, bekam er einen Krampf in den Beinen. Die Sehnen spannten sich steinhart, und der Schmerz verschlug ihm den Atem. Leeka hob das Gesicht zum Himmel empor und weinte vor Freude. Er bekam seinen Körper zurück.
Das Hochgefühl, das ihn auf einem Gipfel nahe dem Westgrat der Senivalischen Berge überkam, würde er niemals vergessen. Ringsumher waren Wolken, unterhalb von ihm ragten zahllose Felsspitzen auf, so scharf wie die Zähne des Wolfsbären, jede einzelne ein mahnender Finger, der sich dem Himmel entgegenreckte. Er tanzte die Zehnte Figur, mit der Telamathon gegen die fünf Jünger des Gottes Reelos gekämpft hatte. In seinem ganzen Leben hatte er niemals einen reineren Moment erlebt. Es war ein getanzter Tribut, eine Handlung, die ihn mit allem verband, was er einmal gewesen war, und allem, was er wieder zu sein hoffte. Vielleicht war es eine Selbsttäuschung, reiner Wahn, hervorgerufen durch die große Höhe. Sicher war er sich nicht, doch während er ins Leere hieb und umherwirbelte, in die Luft sprang und sich um die eigene Achse drehte, hatte er das Gefühl, all die Bergvorsprünge schauten ihm zu.
Und dann stolperte er allzu früh wieder aus dem Gebirge hervor und den Hang hinunter, der zur Küste der Grauen Hänge führte. In den Küstenstädten stürzte er sich ins Gewühl des Handels, der Geschäftemacherei und des Verrats. Nur wenige musterten ihn freundlich. Alle betrachteten ihn daraufhin, ob er eine Gefahr darstelle oder ob mit ihm ein Geschäft zu machen sei. Eine Bedrohung hing im Gewebe der Luft, das spürte er, anders als alles, was er zu Zeiten von Leodans Herrschaft jemals empfunden hatte. Wieder und wieder wurde er von Nebelhändlern angesprochen, die ihm alle versicherten, ihre Ware sei rein, stamme direkt von der Quelle, sei unverschnitten und von höchster Güte. Leeka wusste nicht genau, ob sein Gesichtsausdruck oder sein Verhalten ihn zu einer Zielscheibe für solche Leute machte oder ob es jetzt überall so zuging. Mehrmals packte seine Faust die Hand von Taschendieben, die seine Gewänder erforschten. Zweimal wurde er in Schenken angepöbelt, weil er angeblich jemanden beleidigt hatte. Einmal zog er das Schwert, als er in einer dunklen Gasse von drei Halbwüchsigen überfallen wurde. Er durchschnitt die Luft mit der raschen Abfolge von Hieben, mit denen Aliss den Wahnsinnigen von Careven getötet hatte. Sie waren klug genug, Fersengeld zu geben, und er war dankbar dafür.
Thaddeus hatte ihm den Namen eines Mannes genannt, den er in einer bestimmten Küstenstadt aufsuchen sollte. Er machte den Betreffenden ausfindig und überzeugte ihn davon, dass Thaddeus ihn geschickt habe. Der Mann übergab ihn daraufhin in die Obhut eines anderen, der ihm zu essen gab und ihm alles berichtete, was er wusste, ihm half, sich gegen die Gier nach dem Nebel zu behaupten, und ihn mit einer Botschaft an eine dritte Person weiterschickte. Da wurde ihm klar, dass eine verborgene Widerstandsbewegung in der Welt am Werk war. Der alte Kanzler war ein Teil von etwas, das größer war als er selbst. Und dank ihm spielte auch Leeka dabei eine Rolle.
Während all dem horchte er jeden, bei dem es ihm möglich war, unauffällig aus. Von der Person, die er suchte, kannte er nur einen einzigen Namen. Er gab ihn nur mit äußerster Vorsicht preis. Je nachdem, wen er vor sich hatte, schmückte er seine Nachforschungen mit einer passenden Geschichte aus. Gut anderthalb Monate verbrachte er auf diese Weise, ohne seinem Ziel
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